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Interview29.06.2018

Europäische Antwort auf „America first“?

Gerechtigkeit und Transparenz in der Datenwirtschaft

Prof. Dr. Rainer Prokisch, Universität Maastricht Quelle: Universität Maastricht Prof. Dr. Rainer Prokisch Wissenschaftler Universität Maastricht
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Bei der Besteuerung digitaler Geschäfte betont Prof. Dr. Rainer Prokisch, "dass es hier weniger um ein nationales, sondern um ein internationales Problem geht." Der Wissenschaftler hat den Lehrstuhl für Internationales und Europäisches Steuerrecht an der Universität Maastricht inne und Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zum Finanzverfassungsrecht sowie zum europäischen und internationalen Steuerrecht.





Kanzlerin Merkel hat eine Steuerreform ins Gespräch gebracht, die für mehr Gerechtigkeit bei der wirtschaftlichen Verwertung von Daten sorgen soll. Wie bewerten Sie das?
Im Grundsatz sehe ich das positiv. Man muss sich allerdings vergegenwärtigen, dass es hier weniger um ein nationales, sondern um ein internationales Problem geht. National können wir schon jetzt die Umsätze und Gewinne der Unternehmer steuerlich erfassen. Dafür bedarf es keiner Reform, allenfalls einiger kleiner Änderungen des bestehenden Steuerrechts. Zusätzlicher Steuern bedarf es nicht, man würde nur die heimische Wirtschaft zusätzlich belasten.

Anders ist es international. Die Unternehmen, über die wir hier sprechen, sind zum großen Teil amerikanische Unternehmen. Die Grundprinzipen des internationalen Steuerrechts sind auf die digitale Wirtschaft nicht eingerichtet. Es geht hier um „Gerechtigkeit“ zwischen Staaten, d.h. es geht um eine faire Verteilung des Steueraufkommens auf die Staaten, die an der Wertschöpfung beteiligt sind. Ein Unternehmen wie Google macht Gewinne aus der Positionierung von Werbung auf ihren Plattformen. Die Werbetreibenden sind vor allem dann interessiert, Werbung zu schalten, wenn sie wissen, dass viele Nutzer möglichst gezielt angesprochen werden können. Die Anzahl der Nutzer und deren Daten sind somit von ganz besonderer Bedeutung für das Geschäftsmodell von Google. Im Augenblick kann das Land, in dem die Nutzer sich befinden, diese Gewinne mangels einer physischen Präsenz nicht oder kaum besteuern. Vor diesem Hintergrund schien es mir doch gerechtfertigt, wenn auch das Land, wo sich der Markt befindet, ein Recht zur Besteuerung zustünde.  

Nach Ansicht der Kanzlerin ist die Bepreisung von Daten, besonders die der Konsumenten, ist das zentrale Gerechtigkeitsproblem der Zukunft. Wie lässt sich der (Geld-)Wert von Daten ermitteln?
Diese Aussage halte ich für übertrieben. Natürlich werden in Zukunft möglichst präzise Daten für die Unternehmen eine sehr große Rolle spielen und es besteht sicherlich eine Gefahr der missbräuchlichen Verwendung. Es ist daher wichtig, dass der Umgang mit Daten gesetzlich reguliert wird und dass sich Verbraucher der Gefahren bewusst sind. Ich sehe vor allem in dem Verkauf von Datensätzen ein Problem, wenn der Verbraucher einer solchen Veräußerung nicht vorab zustimmen kann.

Die Werte von Daten lassen sich kaum ermitteln. Es mag bestimmte Indikatoren geben, die auf den ungefähren Wert von Daten schließen lassen. So werden beispielsweise Unternehmen, die besonders gute Daten über ihre Kunden haben, ihre Gewinne entsprechend steigern können. Auch kann die Höhe der Einnahmen aus der Schaltung von Werbung darauf hinweisen, wie viel den Unternehmen der Zugang zu den Konsumenten wert ist. Aus steuerlicher Sicht wird es darum gehen, die geeignetsten Indikatoren zu wählen, um zu einer möglichst fairen Besteuerung zu kommen. 

Was im übrigen wirklich ein Problem aufwirft, ist das intellektuelle Eigentum (IP) zum Beispiel an Software oder Algorythmen. Viele Unternehmen sind sich in den letzten Jahren der Bedeutung und des Wertes bewusst geworden. Sie stellen ihren ausländischen Niederlassungen oder unabhängigen Händlern die Kosten in Form von Lizenzgebühren in Rechnung und können dadurch die ausländische steuerliche Bemessungsgrundlage wesentlich mindern.

SPD-Chefin Nahles hat gefordert, Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssten ihre Daten teilen, so dass sie Gemeingut würden. Wie finden Sie diesen Ansatz?
Letztlich geht es um die Frage, ob wir in einer Welt des gläsernen Bürgers leben wollen oder ob uns der Schutz unserer Privatsphäre wichtiger ist. Es gibt beispielsweise Länder, in denen Steuerdaten öffentlich gemacht werden, das Steuergeheimnis wie wir es kennen ist also keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Ich weiß dann, was mein Nachbar verdient und ob seine Einnahmen sachgerecht und umfassend besteuert werden. Das hat aus Sicht einer gegenseitigen sozialen Kontrolle und einer offenen und transparenten Gesellschaft sicherlich seine positiven Aspekte. Ich persönlich würde in einer solchen Welt nicht leben wollen. Ich möchte gerne selber entscheiden, was meine Umwelt über mich wissen soll und was nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich auch die Freiheit haben sollte, mein Vermögen zu verstecken oder meine Einkünfte verbergen zu können. Aber die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Steuervermeidung ist eine andere Frage. Die internationale Gemeinschaft hat hier in den letzten Jahren schon einiges erreicht. Es wird in Zukunft darum gehen, die noch bestehenden Lücken zu schließen.

Auch in Europa läuft eine Debatte über die richtige Besteuerung von internationalen Digitalkonzernen. Welche neuen Steuern braucht die digital vernetzte Welt aus Ihrer Sicht – und welche keinesfalls?
Die EU Kommission hat zwei Richtlinienvorschläge erarbeitet mit einer vorübergehenden und einer dauerhaften Lösung. Die letztere sieht die Einführung einer virtuellen Betriebstätte vor, die die steuerliche Präsenz eines Unternehmens fingiert. Auf diese Weise ließen sich die der Betriebstätte zuzurechnenden Gewinne (fiktiv) ermitteln, die dann im Betriebstättenstaat besteuert werden können. Diese Lösung hat mehrere gravierende Nachteile. So lassen sich die zuzurechnenden Gewinne kaum sachgerecht ermitteln, es besteht die Gefahr von Doppelbesteuerungen und es müßten die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen geändert werden. Gerade die USA, die von einer solchen Besteuerung besonders betroffen wären, würden einer solchen Änderung wohl kaum zustimmen. Und das Land hätte gute Gründe für eine solche Abwehrhaltung, da die Wertschöpfung zum größten Teil auf der Schaffung und der Weiterentwicklung des intellektuellen Eigentums beruht. Beides geschah oder geschieht zum großen Teil in den USA.

Die vorübergehende Lösung sieht eine Digitalsteuer vor,  die auf Bruttoerträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen erhoben werden soll. Steuerpflichtig sollen nur besonders große Unternehmen sein, Start-Ups sind somit nicht betroffen. Der Steuersatz soll 3% betragen. Eine solche Steuer kann sinnvoll sein, da sie die oben aufgezeigte Besteuerungslücke füllen kann. Das Aufkommen aus der Digitalsteuer sollte aber in den EU-Haushalt fließen. Auf diese Weise ließen sich die vielfältigen zukünftigen Aufgaben der EU zumindest teilweise finanzieren ohne dass die nationalen Haushalte belastet würden. Letztlich wäre die Digitalsteuer auch eine europäische Antwort auf „America first“.

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