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Datensteuer würde den Transformationsprozess verteuern

Wie die digitale Zukunft gerecht gestaltet werden kann

Prof. Dr. Peter Buxmann, Technische Universität Darmstadt  Quelle: TU Darmstadt Prof. Dr. Peter Buxmann Forscher TU Darmstadt 26.06.2018
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Sinnvoller als eine Datensteuer ist es, digitale Innovationen zu unterstützen", sagt Prof. Dr. Peter Buxmann von der TU Darmstadt. Bundeskanzelerin Angela Merkel hatte eine solche Steuer ins Gespräch gebracht, doch der Experte glaubt nicht, dass dadurch mehr Gerechtigkeit entstünde.







Kanzlerin Merkel hat eine Steuerreform ins Gespräch gebracht, die für mehr Gerechtigkeit bei der wirtschaftlichen Verwertung von Daten sorgen soll. Wie bewerten Sie das?
Eine solche Datensteuer würde nicht nur große Internetfirmen treffen. Auch viele andere Unternehmen sind gerade dabei, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Diese basieren in der Regel auf der Nutzung von Daten, z.B. Kunden- oder Sensordaten. Eine Datensteuer würde daher – wie immer sie dann ausgestaltet wäre – den Transformationsprozess verteuern, anstatt ihn zu unterstützen. Auch jenseits der Digitalisierung werden Daten verarbeitet, beispielsweise hört bzw. liest der Arzt die „Krankengeschichten“ der Patienten oder das Reisebüro bekommt von den Kunden die Reiseziele mitgeteilt. Sollten diese Daten tatsächlich besteuert werden?

Sinnvoller als eine Datensteuer ist es, digitale Innovationen zu unterstützen, z.B. durch Möglichkeiten zur Abschreibung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Bereich der Digitalisierung - auch damit Europa bzw. die Bundesrepublik gegenüber Ländern wie USA oder China nicht weiter ins Hintertreffen geraten. Einen ähnlichen Vorschlag hatte auch die Kanzlerin kürzlich in einem anderen Kontext gemacht.

Nach Ansicht der Kanzlerin ist die Bepreisung von Daten, besonders die der Konsumenten, das zentrale Gerechtigkeitsproblem der Zukunft. Wie lässt sich der (Geld-)Wert von Daten ermitteln?
Die Kanzlerin spricht an, dass viele Internet-Konzerne mit Nutzerdaten Milliarden verdienen, die Nutzer aber nicht an den Gewinnen partizipieren. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Anwender durchaus eine Gegenleistung bekommen – nämlich den Service der Anbieter. Jetzt können wir trefflich darüber streiten, ob die Nutzer für die Bereitstellung ihrer Daten ausreichend kompensiert werden. Pro Nutzer wird Facebook in der Regel kaum mehr als 20 Euro Gewinn im Jahr erzielen, Google verdient so viel manchmal mit nur einem Klick.

Zudem sollten wir nicht vergessen: Das Prinzip „Service gegen Daten“ ist eine klassische Spielregel der digitalen Ökonomie und wird nicht nur von den Internet-Giganten erfolgreich angewandt. So finanzieren viele News-Seiten ihre journalistischen Angebote über Werbeanzeigen. Die Leser erhalten also auch auf den ersten Blick kostenlose Informationen und Artikel, zahlen jedoch mit ihren Daten, die beispielsweise von Drittanbietern gesammelt und weitergegeben werden. Wir würden aber wohl kaum auf die Idee kommen, die Betreiber der News-Seiten sollten Ausgleichszahlungen an ihre Leser leisten.

SPD-Chefin Nahles hat gefordert, Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssten ihre Daten teilen, so dass sie Gemeingut würden. Wie finden Sie diesen Ansatz?
Auch hier habe ich den Eindruck, dass die Vorschläge der Politik zu einseitig darauf zielen, große US-amerikanische Internetfirmen zu disziplinieren. Es geht nicht um die Größe der Firma und auch nicht darum, ob sie aus den USA, China oder Europa kommen. Vielmehr geht es um die Art der Daten. Open-Data-Projekte für einen guten Zweck, die Bereitstellung von Forschungsergebnissen oder die Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung sind Beispiele, in denen das Teilen von Daten einen großen Nutzen stiften kann. Kritisch wird das Teilen von Daten, wenn die Privatsphäre der Menschen verletzt wird. Nehmen wir das Beispiel von Facebook oder Google: Das Teilen solcher sensibler Daten würde die Gefahr des Missbrauchs drastisch erhöhen – auch wenn verschiedene Verfahren zur Anonymisierung bzw. Verschlüsselung der Daten zum Einsatz kämen. Mir ist klar, dass Andrea Nahles die Privatsphäre der Menschen sicherlich nicht gefährden möchte, aber der Vorschlag, Daten zu einem Gemeingut zu machen, der ja auch schon von anderen Experten gemacht wurde, ist aus den oben genannten Gründen gefährlich. Die zentrale Herausforderungen der digitalen Transformation ist eine andere: Es geht um die Entwicklung digitaler und innovativer Geschäftsmodelle unter Berücksichtigung der Privatheit der Menschen.

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