Der finale Entwurf für die EU-Copyright-Richtlinie steht – und enthält z.B. die umstrittene Haftung von großen Plattformen für Urheberrechtsverstöße. Wie bewerten Sie den geplanten Artikel 13?
Die Haftung von Plattformen für Urheberrechtsverstöße und die damit verbundene Abkehr vom Providerprivileg ist keine Lösung für Urheberrechtsverletzungen im Internet. Sie führt unweigerlich zu einer generellen Überwachungspflicht der Plattformen bezüglich hochgeladener Inhalte. Diesen Verpflichtungen können die Plattformen aus technischer Sicht nur gerecht werden, indem sie sämtliche Inhalte durch Algorithmen filtern lassen und dann solche, die vermutlich urheberrechtlich geschütztes Material enthalten, blockieren. Diese Uploadfilter sind aus mehreren Gründen problematisch: Erstens werden sie technisch weit überschätzt. Sie können den Kontext von Inhalten nicht erfassen: Z.B. Parodien werden nicht als Weiterverarbeitungen erkannt und ebenfalls blockiert. Ob ein Inhalt urheberrechtlich geschützt ist, kann eine komplexe juristische Fragestellung sein, die vor allem vieler Hintergrundinformationen bedarf. Ein Algorithmus kann diese Entscheidung nicht angemessen treffen. In anderen Bereichen haben automatische Inhaltsfilter bereits Verheerendes angerichtet: So wurden durch Filter von Youtube mehrfach Videos, die Kriegsverbrechen in Syrien dokumentierten, als vermeintliche Terrorpropaganda gelöscht, etwa weil in ihnen IS-Flaggen zu sehen waren.
Die Entscheidung darüber, welcher Inhalt aus rechtlichen Gründen auf Plattformen nicht erscheinen darf, muss bei staatlichen Instanzen liegen. Artikel 13 verschiebt die Entscheidung mitsamt ihrer Durchsetzung auf Private. Da die Plattformen für Verstöße haften, werden sie im Zweifel zu viele Beiträge löschen (Overblocking). Daraus ergeben sich erhebliche Einschränkungen von Meinungs- und Informationsfreiheit.
Da kleinere Plattformen kaum selbst über die nötigen Ressourcen zur Einrichtung der Filter verfügen, werden sie diese bei den großen IT-Konzernen einkaufen müssen, was deren Marktmacht weiter stärkt.
Bestimmte Start Ups und nichtkommerzielle Angebote sollen von diesen Regeln ausgenommen sein. Wie stehen Sie dazu?
Die Ausnahmeregelungen sind nicht geeignet, die schädlichen Wirkungen der Regelung abzumildern. Es gibt eine Vielzahl von Plattformen mit geringen Nutzerzahlen, die bereits länger als drei Jahre bestehen und für die die Vorschriften schon aus Ressourcengründen völlig unpraktikabel sind. Hinzukommt, dass, wie unter 1. geschildert, die Verpflichtung zu Uploadfiltern auch bei den großen User-generated-content-Plattformen wie Youtube keineswegs nur zu den gewünschten Effekten führen wird, sodass die grundlegende Kritik an Artikel 13 durch keine Ausnahmeregelung wettgemacht werden kann.
Nach dem finalen Entwurf kommt auch das Leistungsschutzrecht. Wie schätzen Sie diese Regelungen ein?
Die Regelungen zum Leistungsschutzrecht führen dazu, dass Seiten, die auf andere Seiten verlinken und zusätzlich Teaser-Informationen, etwa eine Artikelüberschrift oder einen kleinen Anreißertext dazu veröffentlichen, für diese Verwendung Lizenzen benötigen. Eine solche Regelung besteht in Deutschland bereits und gilt als gescheitert. Z.B. müsste GoogleNews für jede Verlinkung mit Teasern eine Gebühr an die Presseverlage entrichten. Da die Verlage aber selbst ein Interesse daran haben, auf Suchmaschinen mit attraktiven Anreißertexten zu erscheinen, weil dadurch mehr Nutzer*innen ihre eigenen Websites besuchen, haben sie auf die Gebühren verzichtet.
Auch hier befürchte ich problematische Folgen für den Wettbewerb: Während viel dafür spricht, dass Google als größte Suchmaschine sich gegenüber den Verlagen durchsetzen wird, könnte die Position kleinerer Suchmaschinen weiter geschwächt werden.
Die Richtlinie soll noch in dieser Legislatur des EU-Parlaments verabschiedet werden. Befürworten Sie das?
Auf keinen Fall. Auch wenn eine Überarbeitung des Urheberrechts aufgrund der Vielzahl technologischer Veränderungen notwendig ist, ist der aktuelle Entwurf mit den beschriebenen Problemen derart unsachgerecht, dass wir darauf hoffen, dass das EU-Parlament gegen den Entwurf stimmen wird.