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Die letzte Chance auf ein faires europäisches Urheberrecht

Wie der Verband eco den finalen Entwurf zur Copyright-Richtlinie sieht

Oliver J. Süme, eco Vorstandsvorsitzender Quelle: eco Oliver Süme Vorstandsvorsitzender eco - Verband der Internetwirtschaft e.V. 06.03.2019
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Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
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"Die Abstimmung im Europaparlament ist die letzte Gelegenheit das Leistungsschutzrecht und die umstrittenen Upload-Filter zu verhindern", mahnt der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver J. Süme. In wichtigen Punkte sieht er noch Änderungsbedarf an dem finalen Entwurf der entsprechenden Richtlinie.







Der finale Entwurf für die EU-Copyright-Richtlinie steht – und enthält z.B. die umstrittene Haftung von großen Plattformen für Urheberrechtsverstöße. Wie bewerten Sie den geplanten Artikel 13?
Nach Artikel 13 des neuen Urheberrechts werden Plattformbetreiber – an den Regelungen der E-Commerce Richtlinie vorbei – unmittelbar für Urheberrechtsverstöße auf ihren Seiten verantwortlich gemacht. In der Konsequenz müssen Unternehmen jetzt verhindern, dass Internetnutzer/innen potenziell urheberrechtlich geschütztes Material hochladen, sofern sie nicht mit sämtlichen Rechteinhabern Lizenzvereinbarungen geschlossen haben; eine praktische Unmöglichkeit. Deshalb müssen sie Upload-Filter installieren, die Urheberrechtsverstöße automatisch erkennen sollen. Die technische Infrastruktur für diese Uploadfilter muss erst entwickelt werden. Sie wird aber fehleranfällig sein und Inhalte blockieren, die keinerlei Rechte verletzt während sie andere Inhalte trotz möglicher Rechtsverletzungen verfügbar macht. Damit sind nebenbei immense Kosten und hoher technischer Aufwand verbunden, den insbesondere kleinere Unternehmen nicht werden aufbringen können.

Bestimmte Start Ups und nichtkommerzielle Angebote sollen von diesen Regeln ausgenommen sein. Wie stehen Sie dazu?
Deutschland hatte ursprünglich eine Ausnahme für kleine und mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 20 Millionen Euro gefordert. Das hatte Frankreich jedoch abgelehnt und Deutschland ist in den Verhandlungen buchstäblich umgekippt. Die nunmehr vorgesehenen "Ausnahmeregelungen" für junge Unternehmen und Start-ups ist de facto gar keine: Maximal drei Jahre darf ein Unternehmen am europäischen Markt aktiv sein und maximal 10 Millionen Euro gleichzeitig umsetzen, wobei dies mit nicht mehr als 5 Millionen Nutzern zustande kommen soll. Damit werden Start-Ups mitten in einer wichtigen Wachstumsphase erheblich belastet und sie werden immense Ausgaben in ihre Businesspläne einarbeiten müssen, anstatt das Geld in Innovationen und Mitarbeiter investieren zu können. Das ist ein reines Placebo, bremst die europäische Start-Up Entwicklung aus und wir werden weiter Boden verlieren gegenüber großen Konzernen und internationalen Plattformbetreibern.

Nach dem finalen Entwurf kommt auch das Leistungsschutzrecht. Was schätzen Sie diese Regelungen ein?
Das Europäische Parlament begründet seine Forderung für ein Leistungsschutzrecht mit dessen Notwendigkeit für die Bewahrung von Qualitätsjournalismus in der digitalen Welt. Das Leistungsschutzrecht sei für Journalisten und Presseverlage gleichermaßen erforderlich, damit die traditionelle Presseverlagsbranche gegenüber „Konkurrenten“ aus dem Online-Sektor bestehen könne. Es geht also tatsächlich um Wettbewerbsrecht als um Urheberrecht, letzteres soll nur dazu herhalten, Verlagen eine neue Erlösquelle zu erschließen. Gleichzeitig widerspricht das Leistungsschutzrecht Grundprinzipien des Internets, nämlich dem freien Meinungs- und Informationszugangs. Diejenigen, die für die Verbreitung von Presseerzeugnissen sorgen und den Seiten der Verlage Leser zuführen, sollen die Zeche zahlen. Das wird sich ebenfalls negativ auf Anbieter innovativer Dienste auswirken. Das Leistungsschutzrecht ist zudem bereits in Deutschland und Spanien krachend gescheitert: Es hat sich gezeigt, dass es außer der Einstellung von Diensten und Millionen Kosten für gerichtliche Auseinandersetzungen keinerlei Gewinner hervorbringt. Ein europäisches Leistungsschutzrecht wird daher zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für den Investitionsstandort Europa werden.

An welchen weiteren Details im finalen Entwurf sehen Sie ggf. noch Änderungsbedarf?
Wir haben uns primär auf drei Hauptpunkte bei dem Richtlinienvorschlag fokussiert: der Value Gap in Artikel 13, dem Leistungsschutzrecht in Artikel 11 und dem Vorschlag zu Text-and-Data-Mining (TDM) in Artikel 3. Während wir dafür eintreten, die ersten beiden wegen "Themenverfehlung" zu streichen, gehört das TDM sicher zu jenen Punkten, die für die darauf aufbauenden Geschäftsmodelle und Digitalisierung wichtig sind. Hier ist es sinnvoll Rechtssicherheit zu schaffen und Nutzungsmöglichkeiten zu eröffnen, die eine Datennutzung – insbesondere im Hinblick auf künstliche Intelligenz – ermöglicht. Das könnte unter Umständen noch etwas großzügiger ausfallen, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Richtlinie soll noch in dieser Legislatur des EU-Parlaments verabschiedet werden. Befürworten Sie das?
Die Novellierung des Urheberrechts ist eines der wichtigsten und größten Projekte auf europäischer Ebene. Durch die kurz von dem Ende stehende Legislaturperiode und die im Mai anstehende Europawahl ist ein erheblicher Zeitdruck entstanden. Nach über zwei Jahren an Diskussionen und Verhandlungen läuft jetzt die Zeit ab und es wird noch versucht eine Einigung zu erreichen. Allerdings macht der schlechte Kompromiss zwischen Frankreich und Deutschland und das inzwischen vorliegende Ergebnis der Trilog-Verhandlungen deutlich, dass hier um jeden Preis versucht werden soll, die Urheberrechtsnovelle abzuschließen. Dabei werden die Konsequenzen einer übereilten Entscheidung ignoriert. Wir haben lange für ein modernes Urheberrecht gekämpft, das dem digitalen Zeitalter gerecht wird. Die Abstimmung im Europaparlament ist die letzte Gelegenheit das Leistungsschutzrecht und die umstrittenen Upload-Filter zu verhindern. Ich würde mich freuen, wenn hier noch ein Umdenken stattfände: Die Mitglieder des Europäischen Parlaments müssen im Sinne der Internetnutzer/innen sowie der deutschen und europäischen Digitalwirtschaft handeln. Anderenfalls ist die letzte Chance auf ein faires europäisches Urheberrecht verspielt.

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