Im aktuellen Smart City Index gab es erhebliche Bewegung im Ranking. Wie haben sich die deutschen Städte in der digitalen Transformation in den letzten Jahren insgesamt entwickelt?
Die Digitalisierung hat in Deutschland in den letzten Jahren insgesamt eine große Dynamik entfaltet. Dazu gehört auch das Thema Smart City. Studien zeigen, dass Kommunen das Thema Digitalisierung bzw. Smart City als besonders wichtig erachten. Ein Beispiel ist die Studie, die wir gemeinsam mit dem Co:Lab e.V. im Jahr 2022 veröffentlicht haben. Strategien und Maßnahmen werden zunehmend aktiv angegangen - auch wenn gerade in der Strategieentwicklung noch viel Potenzial steckt. Katalysatoren für diese Dynamik sind sicherlich zum einen die vielen lukrativen Förderprogramme und zum anderen gesetzliche Regelungen wie das Onlinezugangsgesetz.
Auch im Smart City Index hat sich viel bewegt. Aber das war in den letzten Jahren nicht anders. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen hat sich das Indikatorenset verändert. Das führt letztlich zu Schwankungen und macht Vergleiche mit den Vorjahren schwieriger.
Insgesamt lohnt sich aber auch ein Blick auf das Indikatorenset selbst. Lässt sich aus den Ergebnissen wirklich immer ableiten, ob eine Kommune smart ist oder smarter geworden ist? Das würde ich bezweifeln. Zum einen werden in den Kommunen Maßnahmen durchgeführt, die von den definierten Indikatoren nicht erfasst werden. Zum anderen gibt es Indikatoren, die von einer Kommune bewusst nicht bedient werden, weil sie einen Mangel verwalten und nicht für eine notwendige Prozesstransformation sorgen. Ein Beispiel aus dem Themenblock Verwaltung ist die Online-Terminvergabe. Ist die Online-Terminvergabe tatsächlich ein Transformationsbeschleuniger? Steckt ein digitales Mindset dahinter? In diesem Zusammenhang finde ich das Zitat von Thomas Köster, Leiter der Bürgerämter im westfälischen Hamm, sehr treffend. „Wir investieren in die Reduzierung von Wartezeiten, nicht in die Organisation von Wartezeiten.“ Genau diese Einstellung würde aber zu einem schlechteren Abschneiden im Ranking führen.
Letztlich ist das Ranking eine gute Orientierung, die zum Nachdenken anregt. Es regt mitunter dazu an, die eigenen Fortschritte bei der Digitalisierung kritisch zu reflektieren. Insgesamt plädiere ich aber für eine große Portion Gelassenheit: Das betrifft sowohl die Aussagekraft als auch die Schwankungen. Es geht nicht darum, besser zu sein als andere Kommunen. Es geht darum, durch Digitalisierung Mehrwerte für die Bürger:innen zu erzielen. Dafür müssen entsprechende strategische Prioritäten gesetzt werden.
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Das Ranking betrachtet deutsche Städte - wie stehen diese im Europa-weiten Vergleich da?
Im internationalen Vergleich zeigt sich immer wieder, dass Deutschland eher im hinteren Mittelfeld liegt. Dies gilt insbesondere für die Digitalisierung der Verwaltung. Ein echter Vergleich ist jedoch schwierig, da das Verständnis von Digitalisierung und die Rahmenbedingungen oft zu unterschiedlich sind. Oft ist zu beobachten, dass gerade die Länder, die zentralistischer organisiert sind, auch deutlich weiter in der Digitalisierung sind und auch schneller vorankommen. Gerade die skandinavischen Länder sind hier sicherlich ein gutes Beispiel. Aber ähnlich wie beim Städtevergleich in Deutschland gilt auch hier: Es kommt darauf an, die eigenen Prioritäten herauszuarbeiten und umzusetzen, um für mehr Lebens-, Arbeits- und Standortqualität zu sorgen. Dabei hilft es wenig, in Konkurrenz zueinander zu treten. Vielmehr geht es darum, voneinander zu lernen.
Welche Unterstützung brauchen die Städte von Land, Bund und EU in der digitalen Transformation?
Um die Digitalisierung in Deutschland zügig voranzutreiben, müssen die Kommunen bestehende Strukturen, insbesondere IT-Strukturen und -Dienstleistungen, disruptiv in Frage stellen und mehr Transformation wagen. Jede Kommune muss sich der Aufgabe stellen, den Transformationsprozess zur Smart City / Smart Region durch eine digital orientierte Organisationsentwicklung zu gestalten. Dies gilt gleichermaßen für die staatlichen Strukturen und Rahmenbedingungen.
In diesem Zusammenhang sind insbesondere drei Bausteine erforderlich: Fördermittel, Experimentiermöglichkeiten und vor allem Standards. Bei den Fördermitteln geht es nicht darum, immer mehr für einzelne innovative Leuchtturmprojekte zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sollte die Fördermittelvergabe darauf ausgerichtet sein, Projekte interkommunal aufzusetzen, um die Ergebnisse möglichst schnell skalieren zu können. Experimentierräume sind der zweite Baustein. Die Kommunen sind die Reallabore der Bürger:innen. Hier muss ausprobiert und experimentiert werden können. Dafür braucht es entsprechende Rahmenbedingungen wie Förderungen, aber auch gesetzliche Anpassungen. Insbesondere beim Thema Künstliche Intelligenz zeigt sich, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze hierauf noch nicht eingestellt sind. KI oder auch einfache Automationen sind häufig schon rein rechtlich nicht leicht einsetzbar. Der dritte und vielleicht wichtigste Baustein sind Standards. Wie sehr diese fehlen, zeigt nicht zuletzt der Erfolg des Onlinezugangsgesetzes. Nicht jede Gebietskörperschaft muss und soll das Rad neu erfinden. Ein Ansatz, der in die richtige Richtung geht, ist der "Einer-für-alle"-Ansatz: Ein Service, den alle nutzen können. Dieser muss aber noch modifiziert werden, um Wirkung zu entfalten. Die KGSt spricht sich in diesem Zusammenhang für die so genannten Dresdner Forderungen aus. Dabei geht es zum einen darum, Leistungen, insbesondere wenn sie aus übertragenen Aufgaben resultieren, den Kommunen zentral zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. In einem weiteren Schritt wäre dann zu diskutieren, welche Aufgaben im Zeitalter der Digitalisierung wo am besten erbracht werden. Welche (Teil-)Prozesse sollten von der Kommune, welche von kommunalen Dienstleistungszentren oder von Ländern und Bund wahrgenommen werden?
* https://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/