Mehr und jüngere Nutzer – die Digitalisierung ist eine Chance für die Bibliotheken. Welche digitalen Angebote werden bei Ihnen besonders genutzt?
Die Stadtbibliothek Köln bietet seit Ende der 1980er Jahre Zugang zu Datenbanken an und war 2007 eine der vier Pilotbibliotheken der Onleihe. Heute sind digitale Angebote nicht mehr wegzudenken - sie sind wichtig für die Informationsversorgung unabhängig vom Aufenthaltsort. Eingetragene Bibliotheksmitglieder können auf diese Weise professionelle Quellen kostenlos, jederzeit und überall nutzen. Am stärksten ist die Nachfrage von E-Books und E-Hörbüchern - mehr als 15% der Kölner Mitglieder (ca. 85.000) leihen auch digital Medien über die Onleihe aus, das internationale Zeitungsportal Pressreader wird von ca. 8000 Mitgliedern im Jahr genutzt.
Video- und Audiostreams oder E-Book-Fernleihe - wie werden sich solche Angebote Ihrer Ansicht nach auf die Zukunft von Präsenzbibliotheken auswirken?
Informationen und Unterhaltungsangebote müssen unabhängig von Ort und Zeit zur Verfügung stehen. Auch wenn gedruckte Bücher nicht verschwinden werden: Die Bibliothek hat als Ort eine andere Funktion bekommen – sie ist immer weniger eine reine Medienausleihstation. Vielmehr hat die Digitalisierung auch das sonstige Bibliotheksangebot erweitert. Bibliotheken haben sich als Dritter Ort (neben Arbeitsplatz und Wohnung) etabliert, an dem man sich aufhält, lernt, Freunde oder an den gleichen Themen Interessierte trifft oder sich einfach mit einem Buch in eine gemütliche Ecke zurückzieht. Immer wichtiger wird die Vermittlung von Wissen durch Workshops und Experimentierstationen für digitale Technologien, in Köln z.B. für 3D-Druck, Virtuelle Realität und Robotik.
Die Bibliothek als Lernort bietet auch vielfältige Möglichkeiten für hybride Angebote. So gibt es bei uns flankierend zu bestimmten E-Learning-Kursen regelmäßige mehrwöchige kostenlose Lernteams zu vorher festgelegten Themen. Moderierte Gruppentreffen in der Bibliothek dienen dabei dem Austausch, der Klärung von Fragen und der gegenseitigen Hilfestellung und Motivation. Wir setzen hier das Konzept der P2PU (Peer 2 Peer University) des MIT (Massachusetts Institute of Technology) um, das wir nun im Rahmen eines Europaprojekts zusammen mit Bibliotheken und Weiterbildungsinstitutionen in Warschau, Helsinki und Bukarest weiterentwickeln.
Die Digitalisierung stellt auch große Herausforderungen an die Mitarbeiter. Wie gehen Sie die anstehenden Veränderungen an?
Regelmäßige Schulungen sind eine Selbstverständlichkeit, wir achten aber vor allem seit Jahren bei Neueinstellungen darauf, dass Kenntnisse an neuen Technologien und Social Media bestehen. Wichtig ist Neugier und Spaß an neuen technischen Entwicklungen und natürlich im Umgang mit Menschen.
41 Prozent der Bibliotheken fühlen sich in Sachen Digitalisierung „sehr gut“ oder „eher gut“ von der Politik unterstützt. Was wünschen Sie sich von den zuständigen Stellen?
Ganz eindeutig: Wir wünschen uns vor allem die gesetzliche Gleichstellung der Print- und E-Version von Büchern. So lange der Erschöpfungsgrundsatz nur für physikalisch vorliegende Bücher, aber nicht für das elektronische Pendant gleichen Inhalts gilt, müssen Bibliotheken die Zustimmung der Rechteinhaber einholen, wenn sie Medien digital anbieten wollen. Viele Verlage lizenzieren neue attraktive Titel erst nach einer gewissen Zeit, zu erheblichen Mehrkosten, nur für eine begrenzte Zeit oder beschränkte Zahl der Ausleihvorgänge oder auch gar nicht. Bibliotheken zahlen gerne eine entsprechende Vergütung für die elektronische Ausleihe, werden aber zur Zeit von Teilen des Marktangebots einfach ausgeschlossen. Dies muss sich dringend ändern!
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