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Deutschland hat bei digitaler Verwaltung Luft nach oben

Wie das Leben für die Bürger einfacher werden könnte

Jon Abele, Partner und Leiter Public Services bei BearingPoint Quelle: mika fotografie Jon Abele Partner und Leiter Public Services BearingPoint 28.09.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Die Bürger nutzen bei den digitalen Angeboten der Verwaltung "vornehmlich behördliche Internetseiten oder auch Terminvergabe-Applikationen", sagt Jon Abele, Partner und Leiter Public Services bei BearingPoint. Solche Basis-Onlineangebote sollten aus seiner Sicht nicht das Maß der Dinge sein.







Reichlich die Hälfte der Befragten des aktuellen Digitalisierungsmonitors sind mit den Online-Angeboten der Behörden zufrieden – wie bewerten Sie das?
Die Zufriedenheit mit den Online-Angeboten deckt sich mit ähnlichen Studien wie z. B. dem eGovernment Monitor von D21. Grundsätzlich sollten wir die Ergebnisse der Studie allerdings differenziert betrachten. Wichtig ist zu hinterfragen, was die Bürgerinnen und Bürger unter „Online-Angeboten der Behörden“ verstehen, sprich was sie genutzt haben.

Aus anderen Untersuchungen wissen wir: Genutzt werden vornehmlich behördliche Internetseiten oder auch Terminvergabe-Applikationen; schon deutlich seltener in Anspruch genommen werden z. B. Möglichkeiten der Vorerfassung von Formularen. Hier gab es Verbesserungen, solche Basis-Onlineangebote sollten jedoch nicht das Maß der Dinge sein.

Richtig interessant wird es erst bei der Digitalisierung von Interaktionen zwischen Behörden mit Bürgerinnen und Bürgern bzw. Unternehmen. Das umfasst z. B. Online-Angebote, die den Gang zum Amt gänzlich überflüssig machen. Hier – und das zeigen uns internationale Rankings immer wieder – haben wir in Deutschland noch viel Luft nach oben. Für die Menschen ist schwer zu bewerten, was es nicht gibt und was sie nicht kennen. Eine aussagekräftige Bewertung der Güte des staatlichen Online-Angebots lässt sich also anhand dieses Studienergebnisses nur sehr eingeschränkt treffen.

Auf der anderen Seite haben auch nur reichlich die Hälfte schon einmal Online-Angebote der Behörden genutzt. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Die mangelnde Nutzung dürfte u.a. im überschaubaren Leistungsportfolio und der teils geringen Bekanntheit bestehender Angebote begründet liegen. Ein weiterer wichtiger Grund ist zudem immer noch die rechtssichere Identifizierung im Internet. Erst in einigen Jahren werden alle den neuen Personalausweis mit elektronischen Identifizierungsfunktion haben. Problematischer ist dabei ohnehin die geringe Verbreitung der Lesegeräte zur Nutzung der eID-Funktion. Das ist aber gewissermaßen ein Henne-Ei-Problem. Warum soll ich mir ein Lesegerät holen, wenn es keine Angebote gibt, um dieses auch zum Einsatz zu bringen? Anderseits fragen sich Behörden, warum sie in Online-Angebote investieren sollen, wenn sie mangels Lesegerät doch keiner nutzen kann. Da drehen wir uns etwas im Kreis.

Über alle Altersgruppen wünschen sich die Befragten gebündelte Behördendaten – was spricht gegen die Verwaltung auf einen Mausklick?
Die kurze Antwort ist: Nichts! Erfreulicherweise hat der Gesetzgeber dies durchaus erkannt. Just im vergangenen Jahr wurde mit dem Onlinezugangsgesetz ein wichtiger Rechtsrahmen dafür geschaffen. Das Gesetz verpflichtet Bund und Länder dazu, alle digitalisierbaren Verwaltungsleistungen online anzubieten und sie in einem sogenannten Portalverbund miteinander zu verknüpfen. Wir sollen also zukünftig auf staatliche Online-Plattformen Zugriff erhalten, die Zugang zu allen behördlichen Online-Dienstleistungen ermöglichen - eine Art Behörden-Amazon.

Die Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen soll sich im Sinne der Verantwortlichen an sogenannten Lebens- und Geschäftslagen orientieren. Das bedeutet, Daten sollen bei relevanten Lebens- und Geschäftsereignissen, wie zum Beispiel der Geburt eines Kindes oder der Gründung eines Unternehmens, zukünftig nur noch einmal Online zur Verfügung gestellt werden müssen, um damit gleichzeitig mehrere mit diesem Ereignis verbundene Verwaltungsdienstleistungen auszulösen. Statt auf mehreren Ämtern mehrmals vorstellig zu werden, um immer die gleichen Dokumente vorzuzeigen, sollen zukünftig nur einmal die notwendigen Daten eingegeben werden.

Dass die Verwaltung diese Herausforderung mit viel Energie annimmt, hat sich kürzlich auf unserem Ministerialkongress in Berlin gezeigt. In Workshops und Podiumsdiskussionen haben unsere Kunden aus der Bundes- und Landesverwaltung viel mit uns über die beste Umsetzungsstrategie diskutiert. Die nächsten Jahre wird sich hier viel bewegen.

Nur verschwindend wenige Bürger haben ein Lesegerät, um die elektronischen Funktionen des neuen Personalausweises vollständig zu nutzen. Wie kann die E-ID noch zum Erfolg werden?
Das bereits erwähnte Henne-Ei-Problem muss hier durchbrochen werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass Behörden vorangehen und ein attraktives Leistungsangebot bereitstellen sollten. Ich bin sicher, dass die Menschen dann auch zunehmend von den bestehenden Möglichkeiten Gebrauch machen werden. Die Hemmschwelle wird aktuell zudem deutlich gesenkt. Über eine App lassen sich immer mehr Smartphones mit NFC Schnittstelle dazu nutzen, den Personalausweis zu verwenden.

Die Bundesregierung arbeitet gegenwärtig außerdem an einem Nutzerkonto, das alternativ zum Personalausweis als Identifizierungsmittel genutzt werden kann. Genauso wie mein Amazon-Account eben. Ähnliche Nutzerkonten bestehen bereits in den Bundesländern oder für die elektronische Steuererklärung (Elster). Auch hier soll es zukünftig eine Vernetzung geben, sodass ich mich mit einem Nutzerkonto für alle Verwaltungsdienstleistungen ausweisen kann. Auch das verdanken wir dem Onlinezugangsgesetz.

Ich bin mir daher sicher: Wenn forsa die Studie in fünf Jahren wiederholt, werden wir über deutlich andere Ergebnisse diskutieren.

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