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Der Bundesregierung fehlt der ganzheitliche Blick

Woran es auch Sicht der Grünen bei der Digitalpolitik hapert

Dieter Janecek, MdB Sprecher für Wirtschaftspolitik Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Quelle: Uwe Schroepf Dieter Janecek wirtschaftspolitischer Sprecher Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen 27.09.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Derzeit versucht die Bundesregierung, ihre eigene Handlungsunfähigkeit durch die Einberufung immer mehr Gremien zu überspielen", kritisiert der Grüne Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek. Er fordert dringend ein entschlossenes Vorgehen nach einer klaren Digitalstrategie und eine gute Abstimmung auf europäischer Ebene.







Digitalkabinett, Digitalrat, Innovationsdialog, Digital-Ethikkommission - helfen die vielen Gremien und Stäbe, oder schaffen sie nur Durcheinander?
Es spricht natürlich nichts dagegen, dass sich die Bundesregierung zu verschiedenen Bereichen und Fragen externes Fachwissen und Beratung einholt, allerdings muss auch irgendwann einmal etwas dabei rauskommen. Es mangelt ja in den meisten Bereichen wirklich nicht an Informationen und Vorschlägen, sondern in erster Linie an der Umsetzung längst gewonnener Erkenntnisse. Von den Empfehlungen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ aus ihrer dreijährigen Arbeit ist kaum etwas umgesetzt worden, die Digitale Agenda der letzten Großen Koalition blieb weit hinter den Erwartungen zurück und derzeit versucht die Bundesregierung, ihre eigene Handlungsunfähigkeit durch die Einberufung immer mehr Gremien zu überspielen. Ob diese es nun schaffen können, dieser Regierung einen digitalpolitischen Kompass zu geben, darf man durchaus bezweifeln. Dabei wären ein entschlossenes Vorgehen nach einer klaren Digitalstrategie und eine gute Abstimmung auf europäischer Ebene immens wichtig für den europäischen Wirtschafts- und Innovationsstandort und für den Anspruch, innovative digitale Lösungen für relevante gesellschaftliche Probleme zu finden und digitale Angebote zu fördern, die den Alltag der Menschen verbessern.

In den Gremien wirken vornehmlich Wissenschaftler und Vertreter aus Wirtschaft und Verwaltung mit. Sind die Runden aus Ihrer Sicht richtig besetzt?
Leider zeigt die Bundesregierung immer wieder ihr Silodenken bei digitalpolitischen Debatten. Es steht außer Frage, Wirtschaft und Wissenschaft bei politischen Entscheidungen und Diskussionsprozessen mit einzubinden. Die Digitalisierung betrifft aber alle Teile der Gesellschaft. Den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Verbraucherinnen und Verbrauchern und vielfältigen Engagierten in der Zivilgesellschaft, darunter zahlreiche Social Entrepreneurs mit innovativen digitalen Lösungen, kommt bei ihrer Gestaltung eine erhebliche Rolle zu. Gleichzeitig finden ihre Stimme und ihre Interessen zu wenig Gehör. Dabei sollten digitale Innovationen und digitalpolitische Entscheidungen vor allem der breiten Gesellschaft zugutekommen, nicht nur einzelnen hochinnovativen Branchen und schlagkräftigen Unternehmen. Das sollte eigentlich auch der Anspruch politischer Gestaltung sein. Leider fehlt der Bundesregierung ein solcher ganzheitlicher Blick.

Auch auf höchster exekutiver Ebene sind die Verantwortlichkeiten verteilt. Deswegen fordern manche ein eigenes Digitalministerium. Wie stehen Sie dazu?
Das Kompetenzwirrwarr und die gegenseitigen Blockaden innerhalb der Bundesregierung die vergangenen vier Jahre als Mitglied im Digitalausschuss live zu erleben, war zum Teil eine frustrierende Erfahrung. Wir brauchen dringend eine echte Prioritätensetzung und tatsächlich Steuerung innerhalb der Bundesregierung, damit wir wichtige Themen wie den Ausbau digitaler Infrastrukturen gerade im ländlichen Raum, die Digitalisierung der Verwaltung oder vernetzte Mobilität endlich aufs Gleis gesetzt kriegen. Dafür braucht es nicht zwingend ein eigenes Digitalministerium, aber unbedingt den notwendigen politischen Willen. Und die Bereitschaft, über die anstehenden Wahlen hinauszuschauen: Relevante gesellschaftliche Herausforderungen lassen sich nicht ohne Ökologie und Nachhaltigkeit formulieren – auch der digitale Wandel nicht. Die ökologischen Chancen von smart gesteuerten Fabriken, 3D-Druck, intelligenter Energie- und Verkehrssteuerung sind enorm. Wer diese nicht von Beginn an in digitalpolitischen Entscheidungsprozessen angemessen berücksichtigt, handelt kurzsichtig.

Während einige Zukunftsthemen sich erst abzeichnen, sind andere Probleme wie etwa der Breitband-Ausbau lange bekannt. Woran hapert es aus Ihrer Sicht bei solchen Basics?
Es hapert an der politischen Prioritätensetzung, unzureichenden Ressourcen, an falschen technologiepolitischen Entscheidungen wie im Fall der Förderung des Vectoring, falscher Anreizsetzung und nicht zuletzt an der Untätigkeit oder Unfähigkeit zur Kurskorrektur, selbst wenn die angekündigten Ausbauziele erkennbar verfehlt werden. So lässt das schnelle Internet mit 50 Mbit pro Sekunde weiter auf sich warten, mehr als 56 Prozent der Haushalte in ländlichen Gebieten haben dazu weiterhin keinen Zugang, Kommunen haben insgesamt zu wenig Planungssicherheit und die den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugesicherten Bandbreiten werden in vielen Fällen nicht ansatzweise erreicht. Hier braucht es neue politische Konzepte.

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