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Interview20.02.2018

Datenschutz vs. Jugendschutz?

Experte sieht rechtliches Dilemma bei unangemessener Werbung

Stephan Dreyer, Senior Researcher Medienrecht & Media Governance Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg Quelle: Hans-Bredow-Institut Stephan Dreyer Senior Researcher Hans-Bredow-Institut für Medienforschung
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Gesetzliche Vorschriften sowie Richtlinien und Vorgaben der Werbeselbstkontrolle und der App-Marktplatzanbieter gibt es genug", sagt der Medienrechtler Stephan Dreyer vom Hans-Bredow-Institut mit Blick auf unangemessene Werbung in digitalen Angeboten. An die Eltern betroffener Kinder appelliert er, Einzelfälle am besten mit Screenshot zu melden.





Eltern beschweren sich nach Medienberichten häufig über nicht altersgerechte Werbung in Games oder auf Videoplattformen im Internet. An wen sollten sich Betroffene in so einem Fall wenden?
Für Beschwerden über möglicherweise nicht altersangemessene Inhalte von Werbeeinblendungen in Onlinemedien stehen regelmäßig die Landesmedienanstalten als die zuständige (Tele-)Medienaufsicht zur Verfügung. Entsprechende Hinweise nehmen aber auch die Beschwerdestellen der FSM und des eco an. Für spezifische Beschwerden über Werbeinhalte kann man sich zudem an den Deutschen Werberat wenden. Geht es um irrtümlich abgeschlossene Verträge oder Zahlungen durch irreführende Werbeeinblendungen, sind dagegen eher die Beratungsangebote der Verbraucherschutzzentralen die richtigen Anlaufstellen. Fällt Eltern altersunangemessene Werbung bei Angeboten auf, die sich erkennbar spezifisch an Kinder richten, hilft ggf. auch eine Beschwerde beim App-Marktplatz-Anbieter. Für Kinder-Apps sehen die Plattformen hier sehr restriktive Anforderungen an Werbeeinblendungen und Werbeinhalte vor.

Was empfehlen Sie Eltern, wie sie ihre Kinder vor nicht altersgerechter Werbung auf digitalen Plattformen schützen können?
Das ist kein leichtes Unterfangen, da Kinder oft Angebote und Spiele nutzen, die sich nicht ausschließlich an Kinder richten. Außerdem kann nicht altersgerechte Werbung auch angezeigt werden, wenn das Kind mit dem Endgerät eines Erwachsenen online ist. Oft hilft hier nur ein Ganz-oder-gar-nicht-Ansatz: Beim Surfen im Internet mit Laptops oder PCs helfen AdBlocker oder Werbefilter, die Eltern im Browser aktivieren oder nachinstallieren können. Dabei muss Eltern aber klar sein, dass dem eigenen Kind damit die Möglichkeit erschwert wird, zu lernen, wie man Werbung überhaupt erkennen und sich kritisch und differenziert damit auseinandersetzen kann. Bei mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Laptops sind Werbeblocker zudem in der Praxis schwierig einzusetzen, insbesondere mit Blick auf In-App- oder In-Game-Werbung. Bei ganz jungen Kindern sollten Eltern darauf achten, dass das Kind nur Apps und Spiele nutzt, die ohne externe Werbeeinblendungen auskommen oder redaktionell besonders betreut werden – diese sind allerdings meist kostenpflichtig.

Was sollte die Werbewirtschaft tun?
Die Werbewirtschaft, seriöse Werbenetzwerke und auch die Anbieter von App-Marktplätzen unternehmen bereits viel, befinden sich aber in einem rechtlichen Dilemma: Einerseits dürfen sie aufgrund einer der Intention nach richtigen Selbstverpflichtung keine kindgerechten Segmente bei der Profilierung von Nutzern bilden, d.h. die automatisierte Erkennung von Minderjährigen anhand ihrer Nutzungsverhaltens verbietet sich mit Blick auf den Datenschutz. Andererseits haben sie – und die Eltern und Kinder – ein hohes Interesse daran, dass Kinder dem Alter entsprechende Werbeinhalte sehen, die sie nicht überfordern oder verängstigen bzw. verstören. Die Abhilfe wäre eine bessere Erkennbarkeit generell minderjähriger oder insbesondere sehr junger Online-Nutzerinnen und -Nutzer, um Werbung, die sich von der Gestaltung oder dem beworbenen Produkt her in erster Linie an Erwachsene richtet und richten soll, nicht an diese auszuspielen. Von Dritten auslesbare Erkennungsmerkmale bezüglich des Alters sind aber ebenfalls datenschutzrechtlich hochproblematisch und auch aus Sicht des Jugendmedienschutzes mindestens ambivalent.

Sehen Sie Regulierungsbedarf für nicht altersgerechte Werbung in der digitalen Welt?
Nein, gesetzliche Vorschriften sowie Richtlinien und Vorgaben der Werbeselbstkontrolle und der App-Marktplatzanbieter gibt es genug. Sicherlich kann man den Vollzug dieser Regeln stets verbessern – hier sind die zuständigen Stellen und Institutionen aber zwingend auf Beschwerden der Eltern angewiesen. Werbeinhalte werden zunehmend personalisiert und profilbasiert ausgespielt, so dass eine systematische Kontrolle ausgeschlossen erscheint. Erst der Hinweis – bestenfalls belegt mit einem Screenshot oder einer Aufzeichnung – auf eine bestimmte, nicht altersangemessene Werbung in einer bestimmten App oder einem bestimmten Spiel kann die Aufsicht dazu bringen, sich mit dem Sachverhalt zu beschäftigen.

Im Vorfeld solcher Einzelfälle hilft vor allem eine bessere Sensibilisierung der Werbungbuchenden beim Targeting sowie eine Verbesserung des Wissensstands von insbesondere unerfahrenen App- und Game-Developern, die ggf. leichtfertig weniger seriöse Werbenetzwerke in die App bzw. das Spiel integrieren. Das sind aber Aufgaben, die die Online-Werbewirtschaft konzertiert in die Hand nehmen muss, ggf. über Selbstkontrollinstitutionen oder Verbände. Mittelfristig können Ansätze helfen, die es Eltern ähnlich dem Do-Not-Track-Ansatz ermöglichen, nutzerautonom einen technischen Hinweis auf dem Endgerät zu setzen, dass bedenkliche Erwachsenenwerbung nicht auf dem Endgerät zur Anzeige gebracht werden soll.

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