Ihre Stadt gehört zu den smartesten in Deutschland – welche Digitalisierungs-Projekte haben Sie zuletzt vorangetrieben?
Bochum hat in den letzten Jahren bereits eine eigenständige digitale Dynamik entfaltet. Mittlerweile sind über 200 digitale Dienstleistungen im städtischen Serviceportal verfügbar – von der Online-Terminvergabe über die digitale Wohnsitzanmeldung bis hin zu Ausgabeboxen für Personalausweise und Reisepässe außerhalb der Öffnungszeiten. Gerade letzteres wurde mit einem beeindruckenden Engagement bereits von den Bochumer Bürger*innen angenommen: Seit Mai 2024 wurden bereits über 11.000 Dokumente über die Dokumentenausgabebox ausgegeben (Quelle: Dashboard - Smart City Bochum).
Darüber hinaus haben wir im Stadtkonzern viele sichtbare Smart-City-Projekte umgesetzt: digitales Parken in fast allen städtischen Parkhäusern, ein flächendeckendes LoRaWAN IoT-Netzwerk (Long Range Wide Area Network) der Stadtwerke für eine bessere Funkinfrastruktur und Vernetzung, Sensorik zur Erfassung von Klima- und Umweltdaten (vorletzte Woche wurde die letzte Klimastation im Projekt des Bochumer Klimanetzwerkes aufgestellt), autonome Wertstoffhöfe des Abfallentsorgers, KI-gestützte Unternehmensberatung der Wirtschaftsentwicklung und die Bochum App als digitaler Alltagshelferin.
Auch die Themen Künstliche Intelligenz und Automatisierung von Prozessen sind Inhalte aktueller und kommender Projekte. Allen Mitarbeitenden steht der M365 Copilot zur Verfügung, sodass ein einfacher und sicherer Zugang zu einem leistungsstarken LLM (Large Language Model) und die damit verbundene Arbeitserleichterung für die Mitarbeitenden gewährleistet ist. Darüber hinaus sind erste Pilotprojekte umgesetzt, in denen (u.a. unter Zuhilfenahme von KI) Prozesse automatisiert wurden.
Welche Projekte wollen Sie als nächstes angehen?
Wir arbeiten weiter daran, Services konsequent aus Bürgersicht zu digitalisieren – also einfacher, schneller und nutzerfreundlicher zu gestalten. Großes Fokusthema bleibt weiterhin die Ausweitung digitaler Verwaltungsdienste sowie die Integration von Basisdiensten wie einer bundesweiten digitalen Identität. Dazu zählt vor allem die Erfassung und Nutzung von Daten in Verwaltungsprozessen. Unser Ziel ist es, Daten, Datenströme und Datennutzung ganzheitlich zu denken und so Verwaltung als einen datengetriebenen Prozess zu etablieren. Im Sinne einer nutzerzentrierten Perspektive auf Verwaltung ist zum Beispiel eine konsequente Umsetzung des Once-Only-Prinzips ein wichtiges Handlungsfeld, aber auch die Themen Open Data und Interoperabilität von Daten sind wichtige Schwerpunkte der kommenden Jahre.
Darüber hinaus setzen wir neue Schwerpunkte in der Daten- und Klimainfrastruktur: Mit noch umfassenderer Sensorik wollen wir die Klima- und Umweltdaten für bessere Entscheidungen nutzbar machen. Gleichzeitig entwickeln wir die Bochum App stetig weiter, um sie zu einer noch umfassenderen digitalen Begleiterin im Alltag auszubauen.
Wie vernetzen Sie sich auf dem Weg zur Smart City mit anderen Kommunen?
Kooperation ist ein Schlüssel zum Erfolg. Mit der Smart City Innovation Unit haben wir eine organisationsübergreifende Struktur geschaffen, die Projekte nicht nur innerhalb Bochums, sondern auch im Austausch mit anderen Städten vorantreibt.
Wir partizipieren beim Städtetag und im Rahmen des Förderprogramms Modellprojekte Smart Cities (MPSC). Hier teilen wir unsere Erfahrungen, lernen von den Best Practices anderer und treiben gemeinsam Standards voran. Besonders wichtig ist für uns auch der enge Austausch im Ruhrgebiet, um die Metropole als digitale Region weiterzuentwickeln. Und schlussendlich lernen wir auch gemeinsam: Nicht zuletzt auch in unserem im Juli gelaunchten Kooperationsprojekt der „Digitallinie 302“ mit der Stadt Gelsenkirchen. Wie nah die einzelnen Handlungsstränge der Kommunen manchmal auch parallel verlaufen, zeigt auch das jährliche Bitkom Ranking des Smart City Index.
Welche weitere Unterstützung würden Sie sich bei Ihren Maßnahmen von Land, Bund und EU wünschen?
Wir haben in Bochum viel erreicht, sehen aber auch die Grenzen kommunaler Möglichkeiten. Damit Digitalisierung in Deutschland wirklich durchstarten kann, braucht es einen Durchbruch im föderalen System:
eine flächendeckende digitale Identität,
zentral betriebene Basisdienste,
gemeinsame Infrastrukturen und
einen digitalfreundlichen Rechtsrahmen.
Nur so lassen sich Reibungsverluste zwischen den Ebenen abbauen. Wir begrüßen daher Initiativen wie die „Dresdner Forderungen“ des Städtetags oder die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“, die genau diese Reformen einfordern.
Unser Wunsch an Bund, Land und EU: Rahmenbedingungen vereinfachen, Geschwindigkeit erhöhen und Standards schaffen – damit Städte wie Bochum ihre Innovationskraft bestmöglich entfalten können.