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Bibliotheken brauchen einen Imagewandel

Welche Chancen und Herausforderungen die Digitalisierung im Lesesaal bringt

Klaus-Peter Böttger, Leiter der Stadtbibliothek Essen Quelle: PR Klaus-Peter Böttger Leiter Stadtbibliothek Essen 28.01.2019
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Moderne, aktuelle Konsum- und Vertriebsformen müssen auch den Bibliotheken im Rahmen urheberrechtlicher Veränderungen zugänglich sein", betont Klaus-Peter Böttger, Leiter der Stadtbibliothek Essen. In der Digitalisierung sieht er eine Reihe von Herausforderungen bei Mitarbeitern, dem Budget und ganz grundsätzlich. Dabei soll der demokratische Zugang zu Informationen unbedingt erhalten werden.







Mehr und jüngere Nutzer – die Digitalisierung ist eine Chance für die Bibliotheken. Welche digitalen Angebote werden bei Ihnen besonders genutzt?
Die höchste Nutzung liegt immer noch bei den e-books, e-magazines und e-papers. Diese haben sich in den mittlerweile 8 Jahren als Angebot etabliert. Andererseits zeigen die hiesigen jährlichen Zuwachsraten von 25-30% und der Anteil an den Gesamtausleihen von 3-4%, dass Digitales nicht eine Selbstverständlichkeit im Bibliotheksangebot ist.

Ja, die Digitalisierung ist eine Chance; dazu ist es aber erforderlich, dass der Imagewandel intensiver stattfindet, da diese Angebote nicht unbedingt in Verbindung mit der alten, verstaubten Bibliothek gebracht werden. Die Herausforderung liegt m.E. darin, zum Einen digitale Angebote stärker sichtbar zu machen unabhängig von dem physischen Ort, zum Anderen Mitarbeiter/innen noch mehr darin zu schulen, die Symbiose von Analogem und Digitalem zu vermitteln. Ein Großteil der Mitarbeiter/innen sind mit ganz anderen, nicht mehr existenten Inhalten und Vermittlungsformen im Studium und der beruflichen Laufbahn groß geworden. Der mediale Wandel in den physischen Formaten ist immer vollzogen worden, aber diese Revolution „e“ stellt für zu viele eine Herausforderung dar, der sie sich nicht mehr stellen wollen oder können.

Meine These geht dahin, dass ausgerechnet die Jahre der Haushaltskonsolidierung durch Nichteinstellung von Personal, von wenig neuen, digital groß gewordenen Fachkräften dieses Problem verschärft haben. Dies ist die pessimistische Sichtweise, auch wenn einige Bibliotheken das Gegenteil beweisen.

Video- und Audiostreams oder E-Book-Fernleihe - wie werden sich solche Angebote Ihrer Ansicht nach auf die Zukunft von Präsenzbibliotheken auswirken?
Moderne, aktuelle Konsum- und Vertriebsformen müssen auch den Bibliotheken im Rahmen urheberrechtlicher Veränderungen zugänglich sein. Die alte traditionelle Partnerschaft von Verlagen und Bibliotheken scheint mir aufgekündigt. Das, was auf analogem Terrain mit Buchpreisbindung u.a. funktionierte, ist seitens vor allem der großen Verlage im digitalen Segment nicht mehr möglich. Aus wirtschaftlichen Gründen, Gefühlen der Bedrohung, der absurd formulierten„Piraterie“ durch Bibliotheken, werden Kunden der Bibliotheken von dem vollständigen Angebot des Marktes teilweise ausgesperrt (Stichwort: Windowing).

Meine Erwartung an eine Bibliothek der Gegenwart und Zukunft beinhaltet selbstverständlich die in der Fragestellung genannten Möglichkeiten.

Die Digitalisierung stellt auch große Herausforderungen an die Mitarbeiter. Wie gehen Sie die anstehenden Veränderungen an?
Information, Fortbildung, Schulung, fachliche Netzwerke sind unbedingte Voraussetzungen, um die Mitarbeiter/innen mit in die Zukunft zu nehmen. Es muss eine den aktuellen Trends zugewandte Servicehaltung eingenommen werden.

Die Frage impliziert aber ebenso, dass wir für diese Entwicklung einen stärkeren Professionen-Mix benötigen. Es geht nicht dabei nur um aktuelle, zukunftsorientierte Inhalte von Studiengängen und Ausbildungen, sondern auch darum Grenzen zu erkennen und die Professionalität verwandter Bereiche heranzuziehen. Als typisches Beispiel, auch wenn in jüngeren Jahren bereits in einigen Großstadtbibliotheken praktiziert, ist der/die Medienpädagog/in zu nennen, der die Vermittlung grad im digitalen Segment, im Gaming- und 3D-Bereich ergänzt, wenn nicht sogar übernimmt.

41 Prozent der Bibliotheken fühlen sich in Sachen Digitalisierung „sehr gut“ oder „eher gut“ von der Politik unterstützt. Was wünschen Sie sich von den zuständigen Stellen?  
Ich wünsche mir:
- die Sicherstellung moderner Standards (WLAN in öffentlicher Kommunalverwaltung größtenteils erschreckend)
- ein Gesamtkonzept für Digitalisierung (von elektronischen Bezahlsystemen bis zur digitalen Akte)
- Mittel für die Umgestaltung von Bibliotheken zu dritten Orten
- für jede Stadtteilbibliothek einen 3D-Drucker inkl der Fähigkeit der Mitarbeiter/innen, ihn zu bedienen
- stärkere Kooperationen von Bildungseinrichtungen und Bibliotheken
- Medienkompetenz als Unterrichtsinhalt
- alles, um Bibliotheken zukunftsfähig zu machen – es darf nicht dazukommen, dass der Zugang zu Information eine Frage des Geldes wird. Bibliotheken sind der demokratische Zugang zur Informationswelt, analog und digital.

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