Die Nutzungszahlen für lineares TV sinken, die für Streaming steigen – wie lange bleibt das Fernsehen noch Leitmedium?
Bewegtbild hat seinen Ursprung mit großen Spots, die für lineares Fernsehen und “Lean-back” Modus konzipiert wurden. Oft elegisch geschnitten und langsam erzählt, meist mit starkem Fokus auf Produktpräsentation und Push-Kommunikation – Testimonials als Botschafter. Wir alle erinnern uns sicherlich an die großen Mercedes-Spots “Ohrfeige“ oder “Willkommen zu Hause“, die Klementine in der Ariel-Werbung oder Snickers “Du bist nicht Du, wenn Du hungrig bist”. Die Werbeblöcke wurden von den großen Marken dominiert und die Botschaften über wenige Kanäle in unsere Köpfe gepushed.
Auch wenn sich das Fernsehnutzungsverhalten von linear zu on demand wandelt, die große Wirkung und Bedeutung von Bewegtbild bleibt. Es ist nach wie vor eines der emotionalsten Kommunikations-Medien. Insbesondere weil die Ausspielung der Bewegtbild-Inhalte durch die granularen digitalen Aussteuerungs-Möglichkeiten im Targeting immer individueller wird.
Was sich ändert, ist, dass platte werbliche Formate weniger Wirkung entfalten. Geschichten sind “echter” geworden, weniger werblich. Produkte werden authentisch und subtil in Lebenswelten eingebunden, echte Protagonisten werden zu Markenbotschaftern und Identifikationsfiguren.
Streaming-Zuschauer stehen Werbung skeptisch gegenüber, zugleich sinken die Werbeumsätze im TV – was bedeutet das für die Zukunft der Bewegtbild-Werbung?
Auch wenn TV-Spots weiterhin für Awareness und Brandbuilding eingesetzt werden, so bestehen Kampagnen heute und morgen zunehmend aus digitalen Bewegtbild-Formaten.
Ein weiterer Trend – auch abgeleitet aus dem veränderten Sehverhalten, ist „Binge watching for branded content”, also die Entwicklung von seriellen Bewegtbild-Formaten. Bei fischerAppelt haben wir uns auf die Fahne geschrieben, Content zu erstellen, der den User/ Zuschauer süchtig macht und nachhaltiges Engagement erzeugt. Hierzu verwenden wir die gleichen dramaturgischen Tricks, wie das z.B. Netflix & Co. machen: Trailer, Cliffhanger, starke Charaktere, mit denen man sich identifizieren kann, und mehrere aufeinander aufbauende Staffeln bzw. Episoden, etc. Ein gelungenes Beispiel ist unsere “Benimmregel-Reihe” für die S-Bahn-Berlin, die im Stil einer Horror-Serie so unterhaltsam gedreht wurde, dass die Klicks bei Youtube durch die Decke gegangen sind.*
Die Zahl der Streaming-Anbieter wächst, beim Pay-TV und Pay-Video werden Um-satz-Zuwächse erwartet. Werden die lukrativen Werbeplätze knapp?
Nein, die Möglichkeiten für Werbetreibende werden vielfältiger, denn jeder neue Kanal bringt auch wieder neue Chancen für kreative Formate. Datengetriebenes Targeting sowie neue digitale Werbeformate machen es uns noch einfacher, die richtigen Leute in den richtigen Kanälen anzusprechen. Messbarkeit und damit einhergehend eine klare Ausrichtung an KPIs stehen im Fokus und müssen in Einklang mit Kreativität und Unterhaltungs-/ Informationswert gebracht werden.
Beim Streaming haben Smartphones die Computer als häufigstes Wiedergabe-Device abgelöst – was bedeutet die zunehmende Mobilität Zuschauer für den Markt?
Bewegtbild muss to go, on demand & interaktiv funktionieren. Es gilt Formate mit neuen Erzählarten zu entwickeln, die immer mehr auf mobilen Endgeräten konsu-miert werden können (mittlerweile werden drei von fünf Videos mobil angeschaut). Wir haben z.B. gerade eine große Filmserie in 9:16 Vertical Video-Format komplett nativ für Instagram produziert. Außerdem gilt: Wenn Bewegtbild humorvoll, rele-vant, mehrwertig und unterhaltsam ist, suchen User gezielt danach und teilen es auf ihren eigenen Kanälen sowie mit ihrem Umfeld.
* siehe: https://www.youtube.com/watch?v=H436o4HPels