Wie fügt sich der Entwurf zum neuen Jugendschutzgesetz (JuSchG) aus Ihrer Sicht in die bestehenden Regeln der föderalen Bundesrepublik (etwa: Jugendmedienschutzstaatsvertrag/ JMStV), ein?
Als Bundeskoordinierung spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend, die bundesweit ca. 350 Beratungsstellen koordiniert, begrüßen wir die Novellierung des Jugendschutzes und dabei besonders den stärkeren Fokus auf das digitale Zeitalter im Jugendmedienschutz. Wir halten dies angesichts der Entwicklungen im digitalen Raum und der damit einhergehenden Gefahren für Kinder und Jugendliche für dringend erforderlich. Insbesondere die Aufnahme des Schutzes der persönlichen Integrität von Kindern und Jugendlichen als Schutzziel wird der Notwendigkeit des allumfassenden Schutzes von Kindern und Jugendlichen in physischer und psychischer Hinsicht gerecht, auch wenn er durch die Praxis noch zu konkretisieren ist.
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Der Entwurf sieht den Ausbau der Bundesprüfstelle zur Bundeszentrale für Kinder-und Jugendmedienschutz vor. Was halten Sie davon?
Die Umgestaltung der Bundesprüfstelle jugendgefährdender Medien hin zu einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ist sinnvoll. Allerdings muss dabei eine angemessene Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sichergestellt sein. Auch den ständigen Dialog mit der Zivilgesellschaft und eine permanente Fortentwicklung und Berücksichtigung neuer Entwicklungen halten für notwendig.
Der Entwurf befasst sich mit sogenannten Interaktionsrisiken wie Cybermobbing oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen - wie bewerten Sie die diesbezüglich geplanten Regeln?
Der Referentenentwurf definiert in § 10b JuSchG-E entwicklungsbeeinträchtigende Medien als solche, die übermäßig ängstigen, Gewalt befürworten oder das sozialethische Wertebild beeinträchtigen. Dabei ist nicht nur die medieninhaltliche Wirkung zu berücksichtigen, sondern auch die Umstände der jeweiligen Nutzung, soweit diese auf Dauer angelegter Bestandteil des Mediums sind und diese eine abweichende Gesamtbeurteilung rechtfertigen. Dies erfasst Interaktionsrisiken, die mit digitalen Angeboten einhergehen. Die neue Kategorie der entwicklungsbeeinträchtigenden Medien gewährleistet das Erfassen des Interaktionsrisikos und bietet Orientierung. Das ist dringend notwendig. Schließlich werden gerade die Interaktionsmöglichkeiten von Tätern und Täterinnen genutzt, um einen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen anzubahnen, im Rahmen dessen dann sexualisierte Gewalt stattfindet. Folgerichtig ist vorgesehen, dass Filme und Spielprogramme bei einer Einstufung als entwicklungsbeeinträchtigend nicht freigegeben werden können. Die Gründe für die Altersfreigabe des Mediums sollen angegeben werden. Zudem sind die Medien entsprechend der im Jugendschutz vorgesehenen Altersstufen mit einer Kennzeichnung zu versehen. Allerdings sieht der Entwurf eine Ausnahme für Dienstanbieter*innen vor, die weniger als eine Million Nutzer*innen aufweisen. Diese Beschränkung ist uns nicht nachvollziehbar.
Was sollte aus Ihrer Sicht in ein endgültiges JuSchG unbedingt noch aufgenommen und was unbedingt aus dem Entwurf gestrichen werden?
In § 24a JuSchG-E sind zahlreiche Vorsorgemaßnahmen vorgesehen: z. B. ein Melde- und Abhilfverfahren mit einer für Kinder und Jugendlichen geeigneten Benutzer*innenführung, die Bereitstellung technischer Mittel zur Altersverifikation oder der leicht auffindbare Hinweis auf anbieterunabhängige Beratungsangebote, Hilfe- und Meldemöglichkeiten. Das ist zu begrüßen. Seiten, die pornographische Darstellungen anbieten und/oder sexuelle Angebote beinhalten, sind von dieser Pflicht allerdings nicht umfasst. Aufgrund des sehr hohen Risikos, das sich auf diesen Seiten für Kinder und Jugendliche bietet, sollten diese auch von den Pflichten des § 24a JuSchG-E erfasst sein. Außerdem sollte der Kreis nicht auf Diensteanbieter*innen mit mehr als eine Million Nutzer*innen im Inland beschränkt sein, sondern entsprechend ausgeweitet werden.