Die traditionelle Landwirtschaft hat sich zum Vorreiter in Sachen Digitalisierung gemausert. Das belegt auch eine aktuelle Untersuchung des Verbandes Bitkom und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). In unserer Fachdebatte spricht auch Bernhard Krüsken, Generalsekretär beim Deutschen Bauernverband von enormen Potenzialen in der Landwirtschaft sind enorm. Zugleich haben Landwirtinnen und Landwirte aus seiner Sicht traditionell eine sehr hohe technische Affinität und habe ihre Betriebe und die Wirtschaftsweise immer weiterentwickelt. „Auf vielen Betrieben gehört Hightech auf dem Feld, im Stall und im Management schon längst zum Alltag. Wir sehen in der Digitalisierung und speziell bei der KI große Chancen zum einen, eine noch nachhaltigere Landwirtschaft betreiben zu können, zum anderen auch, die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu stärken.“
Deswegen sieht Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) die digitale Transformation als wesentlichen Schwerpunkt der bayerischen Agrarpolitik. „Um hier in Bayern dabei die richtigen Weichen zu stellen, hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Entwicklung von 2020 auf 2022 im Detail mithilfe einer Umfrage analysiert. Das Ergebnis zeigt eindrücklich, dass die Digitalisierung der bayerischen Landwirtschaft immer stärker voranschreitet.“ Der Grund liegt aus ihrer Sicht auf der Hand, denn die Betriebe sehen darin eine effektive Arbeitsentlastung, Digitalisierung bringe mehr Tierwohl, sie hilft wirtschaftlicher mit ihren Betriebsmitteln umzugehen und kommt damit nicht zuletzt auch der Umwelt zugute.
Thüringer Landwirtschaftsministerin Susanna Karawanskij (Die Linke) nennt konkrete Zahlen. Nach Umfragen nutzt die Hälfte der Thüringer Agrarbetriebe Prognosemodelle für den Pflanzenbau, etwa 40 Prozent der Betriebe nutzt digitale Schlagkarteien, Fahrzeuge mit Lenksystemen und Satellitenbilder zur Ertragszonierung. „In der Tierhaltung werden hingegen nur in etwa 20 Prozent der Betriebe digitale Herdenmanagement-programme eingesetzt und Stallrobotik sogar in nur 10 Prozent der befragten Betriebe.“ Daher sieht sie bei der Tierhaltung noch Luft nach oben.
Auch die saarländische Landwirtschaftsministerin Petra Berg (SPD) sieht in der Digitalisierung ein erhebliches Innovationspotenzial. Essenziell sind für sie landwirtschaftlich relevante Daten zu Wetter, Boden oder Erosion, die man möglichst schnell abrufen kann. „Mit der Etablierung des GeoBox-Viewers im Saarland haben wir bereits vor drei Jahren eine nutzerfreundliche und kostenlose Möglichkeit geschaffen, diese Informationen in den landwirtschaftlichen Alltag zu integrieren. In einem nächsten Schritt wird ein GeoBox-Messenger entwickelt, damit all diese Daten auch mobil direkt vor Ort abrufbar sind.“
Ihr Amtskollege Peter Hauk (CDU) aus Baden-Württemberg konstatiert, dass einige Betriebe als Vorreiter modernste Techniken wie Präzisionslandwirtschaft und KI-gestützte Systeme nutzen, während kleinere Betriebe oft noch am Anfang ihrer digitalen Reise stehen. Die größten Herausforderungen seien dabei häufig mangelnde Infrastruktur, hoher Investitionsbedarf, Unsicherheiten bei Anwendern bzgl. Funktion, Sicherheit und Datenschutz sowie der Zugang zu Schulungen und Fachwissen. Insgesamt seien die Fortschritte aber ermutigend. Sein Ministerium „fördert diese Entwicklung aktiv durch Projekte im Rahmen "Landwirtschaft 4.0 nachhaltig.digital" und führt Forschungsprojekte zu KI und Wissenstransfer in die Praxis durch, die darauf abzielen, die Digitalisierung in der Landwirtschaft voranzutreiben und in der Fläche zu verankern.“
In Sachsen-Anhalt berichtet Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) von einer Koordinierungsstelle zur „Digitalisierung in der Landwirtschaft“. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Informationsveranstaltungen zu diesem Thema. „Aufgabe meines Ministeriums ist es auch, öffentliche Verwaltungsdaten zur Verfügung zu stellen, etwa Informationen über gesetzlich einzuhaltende Abstände bei der Düngung oder zur Bodenbeschaffenheit. Wir arbeiten stetig daran, unsere Dateninfrastruktur zu überarbeiten.“
„Im trockenen Brandenburg ist die Wasserverfügbarkeit das A und O für die Landwirtschaft“, erklärt Brandenburgs Landwirtschafts-Minister Axel Vogel (Grüne). Die Trockenjahre 2018 bis 2020 und auch die letzten Jahre hätten die Betriebe häufig vor große Probleme gestellt. Nun setzen viele Betriebe in seinem Bundesland auf intelligente und wassersparende Bewässerungsformen, um einerseits die Ernten zu sichern und andererseits sparsam mit der Ressource Wasser umzugehen. Er verweist darauf, dass die Grundlagen und die wissenschaftlichen Prognosen häufig auf KI-Modellen basieren, die Informationen für die Landwirtschaft liefern, um sich besser an die Auswirkungen der Klimaveränderungen anzupassen.
Auch die niedersächsische Landwirtschaftministerin Miriam Staudte (Die Grünen) betont, dass präzise Wettervorhersagen in der Landwirtschaft entscheidend sind, um optimal planen und Maßnahmen durchführen zu können. „Je genauer die Prognose dank KI, desto besser können Entscheidungen auf den landwirtschaftlichen Betrieben getroffen und umgesetzt werden, wie beispielsweise die Terminierung von mechanischer Bodenbearbeitung vor lokalen Starkregenereignissen.“ Simulations- und KI-Modelle seien insbesondere hilfreich, um die Erfolgswahrscheinlichkeit geplanter Anbausysteme und Fruchtfolgen vorab aufzuzeigen und zu beschreiben. Durch die Analyse von Wetter- und Bodendaten können Landwirte nachhaltigere Anbaupraktiken für ihre Region entwickeln und sich auf zukünftige Klimaszenarien besser vorbereiten und Ressourcen sparen.
In Hessen wurde laut Landwirtschaftminister Ingmar Jung (CDU) durch den Klimaplan Hessen der digitale Ausbau des Versuchsstandortes Leeheim des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen gefördert. „Hier werden Daten über die Auswirkungen der sich verändernden klimatischen Bedingungen auf einzelne Kulturen erhoben und verschiedene bedarfsangepasste Bewässerungsregime in der Praxis erprobt.“ Die Ergebnisse und daraus abgeleitete Beratungsempfehlungen können Landwirten nun helfen, ihre Anbaustrategien an die neuen klimatischen Bedingungen anzupassen und die Resilienz ihrer Betriebe zu erhöhen.
Frank Gemmer, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Agrar, fordert gezielte Investitionsförderungen, wie es sie im Rahmen der so genannten Bauernmilliarde schon gab. Diese seien sicher ein guter Weg, öffentliche Gelder zur Förderung einer nachhaltigeren Landwirtschaft einzusetzen. Aber um der Digitalisierung in der Landwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen, seien alle Akteure gefordert. „Wir als Industrie haben uns auch verpflichtet, unseren Anteil zu leisten. In diesem Jahrzehnt wird die europäische Pflanzenschutzmittel-Industrie allein 10 Milliarden Euro im Bereich Digitalisierung und Präzisionslandwirtschaft investieren.“