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Interview

Zweiter nationaler Digitalradio-Multiplex wirksamer als fixer UKW-Abschalttermin

Interview mit Olaf Hopp, CEO NRJ Germany

Olaf Hopp, CEO NRJ Germany Quelle: NRJ Alexander Hiller Redakteur Meinungsbarometer.info 27.11.2014

Herr Hopp, wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung beim Digitalradio ein?

Olaf Hopp: Die Digitalisierung unserer Welt nimmt unaufhaltsam zu, hier bildet Radio mit seinen digitalen Verbreitungswegen via DAB+ und IP keine Ausnahme. Sehr zu unserer Freude sind dem Digitalisierungsbericht 2014 durchweg positive Daten für die Akzeptanz des Digitalradios auf Basis des DAB-Standards zu entnehmen. Dem Bericht zufolge beträgt die Anzahl der DAB-Radiogräte in deutschen Haushalten zum Juli dieses Jahres bereits fast fünf Millionen Stück. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 67 % und entspricht einem Anteil an allen genutzten Endgeräte-Arten von 7,5 %. Darüber hinaus hat sich die Zahl der verkauften DAB+ Autoradios verdoppelt und die Zahl der Nutzer von DAB+ Radios wächst in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um fast 60 % auf knapp 5,4 Millionen Hörer. Interessant ist auch, dass Haushalte, die ein Digitalradio besitzen, dessen Nutzung dem Webradio vorziehen. Hier liegt der Empfang laut Digitalisierungsbericht vom Juli 2014 über die DAB+ Geräte (14,3 %) vor dem Empfang über das klassische Internetradio (8,3 %).

Was spricht aus Ihrer Sicht technisch für DAB+?

DAB+ deckt mittlerweile über 90 % der deutschen Haushalte ab und ist bereits auf 75 % der Autobahnen im Bundesgebiet zu empfangen. Die DAB+ Technologie sendet in bester digitaler Qualität. Sie kommt unterbrechungsfrei und ohne Klangverluste auch bei hohen Geschwindigkeiten während der Autofahrt beim Hörer an, während bei IP-basierter Übertragung Bandbreite und Übertragungsqualität bereits ab einer Geschwindigkeit von 80 km/h abnehmen. Die Zeitschrift „Connect“ hat im September 2014 einen Feldtest durchgeführt und ist dafür 9.300 Kilometer durch Deutschland gefahren. Das Ergebnis: „Der Empfang auf Autobahnen ist gut und verlässlich. Der Netzausbau ist sehr weit fortgeschritten!“ Über den TPEG-Standard können darüber hinaus, deutlich detailliertere

Verkehrsnachrichten als über TMC übermittelt werden. Staustufen, Passierdauer oder auch die Verfügbarkeit von Parkplätzen sowie Verspätungen bei Flug und Bahn können aufgrund der größeren Bandbreite angezeigt werden und erhöhen somit die Verkehrssicherheit. Nicht zuletzt ist DAB+ für die Programmveranstalter durch eine deutlich effizientere Frequenznutzung und geringere Sendeleistung günstiger zu verbreiten als über die analoge UKW-Übertragungstechnik und für die Konsumenten weiterhin kostenfrei zu empfangen.

Wie meinen Sie das?

Den Konsumenten kostet das Radiohören über DAB+ nach der einmaligen Anschaffung des Gerätes nichts weiter, wohingegen er beim Hören über das Internet immer einen kostenpflichtigen Datentarif in Anspruch nehmen muss. Und aus meiner Sicht muss es auch in der digitalen Welt gewährleistet sein, dass der Zugang zu Radioprogrammen für alle Hörer jederzeit kosten- und barrierefrei bleibt.

Und die Verbreitungskosten?

Ein Gutachten der Technischen Universität München kommt zu dem Ergebnis, dass der Ausbau des Digitalradio-Sendenetzes DAB+ in Bayern ökonomisch am sinnvollsten ist. Im Vergleich zum Webradio über den Mobilfunkstandard LTE sind die Übertragungskosten bei DAB+ der Studie nach etwa vierzig Mal günstiger. Im Gutachten heißt es, dass LTE „wegen der hohen Ausbau- und Übertragungskosten auf absehbare Zeit keinen ausreichenden Beitrag zu einer flächendeckenden Versorgung Bayerns leisten kann“. Die schwedische Teracom AB, ein technischer Dienstleister im Broadcasting-Bereich, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Sie beauftragten die Beratungsfirma A-focus das Szenario einer Abschaltung von UKW im Jahr 2022 ohne den gleichzeitigen Wechsel zu DAB+ oder einer vergleichbaren Verbreitungsart näher zu beleuchten. Das Fazit war auch hier, dass man eine terrestrische Verbreitung schon allein aus Kostengründen nicht komplett durch die Verbreitung über zelluläre Netze von Mobilfunknetzbetreibern ersetzen kann. Es sei auf Grund der hohen anfallenden Kosten keine realistische Alternative. Aber auch andere schwerwiegende Argumente sprächen gegen ein solches Szenario, so wird beispielsweise vorausgesetzt, dass alle Hörer über einen Internetzugang verfügen, oder auch, dass den Mobilfunknetz- betreibern eine zu hohe Macht im Bereich der Radioverbreitung zukommt und die Position der Radiobetreiber gleichzeitig geschwächt wird.

Wie sehen Sie das?

Insbesondere eine zu hohe Machtstellung der Mobilfunknetzbetreiber, die zum großen Teil ihren Hauptsitz außerhalb Deutschlands haben, spricht auch aus meiner Sicht gegen den digitalen Verbreitungsweg ausschließlich über das Internet. Rundfunk gehört in der Bundesrepublik Deutschland zur Grundversorgung und ist ein öffentliches Gut, das aus gutem Grund besonders geschützt ist und auch weiterhin geschützt werden muss. In Fällen von Katastrophen und anderen unvorhersehbaren Ereignissen, bei denen eine schnelle und umfassende Information der Bevölkerung notwendig ist, muss der freie und ungehinderte Zugang zu Rundfunkprogrammen sichergestellt sein. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn nach einer Abschaltung der UKW-Frequenzen der Hörfunkempfang nur noch über das Internet möglich sein sollte. Dann hätten unter Umständen kommerziell orientierte und internationale Telekommunikationsunternehmen die Entscheidungshoheit darüber, ob es Einschränkungen beim Rundfunkempfang in Deutschland - wie beispielweise durch die Drosselung von Datenmengen schon geschehen – gibt oder nicht.

Aus meiner Sicht muss Radio als deutsches Kulturgut und dessen ungehinderte Verbreitungsmöglichkeit in der Verantwortung der deutschen Medienpolitik und ihrer Organe verbleiben. Die DAB+ Technologie gewährleistet, dass die terrestrische Verbreitung und der kosten- und barrierefreie Empfang von Radioprogrammen, auch über das mögliche Ende der UKW-Verbreitung hinaus, für jeden Bürger gesichert ist.

Wie stehen Sie zu einem festen UKW-Abschaltzeitpunkt?

Ich bin nicht überzeugt davon, dass es der richtige Weg ist, einfach einen fixen Abschaltzeitpunkt für UKW zu fordern ohne die Marktparameter zu berücksichtigen.

Ich würde zunächst vielmehr dem Ansatz folgen die Hörer mit positiven Anreizen, etwa durch einen zweiten nationalen Multiplex, für den Übertragungsweg DAB+ zu gewinnen. Und ab dem Zeitpunkt einer quasi flächendeckenden Versorgung von 95 % und einer DAB+ Nutzung von mindestens 50 %, könnte eine 5-Jahresfrist beginnen, an deren Ende dann tatsächlich die Abschaltung von UKW steht.

Ich glaube fest, dass es für das Digitalradio in Deutschland Sinn macht, die Verfügbarkeit und Akzeptanz von DAB+ entscheiden zu lassen, wann es zu einer UKW-Abschaltung kommt und nicht schon zum jetzigen Zeitpunkt ein fixes Abschaltdatum zu nennen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine ausreichende Marktdurchdringung erreicht ist. Es geht darum, das Vertrauen der Nutzer, der Unterhaltungselektronik- sowie der Automobilindustrie weiter zu stärken.

Wie könnte ein zweiter nationaler Multiplex positive Anreize für DAB+ bewirken?

Ein zweiter nationaler Multiplex könnte ganz sicher weitere Kaufanreize für DAB+ Geräte schaffen, wenn dort Programme angeboten werden, die es auf dem Markt noch nicht gibt. Die Programmveranstalter müssen attraktive Inhalte anbieten, wie ENERGY es zum Beispiel mit den Fußball-Live Übertragungen in Kooperation mit SPORT1.fm oder mit exklusiven Konzertausstrahlungen wie dem iTunes-Festival macht. Entscheidend ist, dass neue Programme wirkliche Alleinstellungsmerkmale aufweisen, die es den Hörern wert sind, 29 Euro in ein DAB+ Radio zu investieren.

Was muss noch passieren?

Der weitere Erfolg von DAB+ hängt vom Zusammenspiel aller beteiligten Partner wie Geräteindustrie, Politik, Programmveranstalter und Handel ab. Optimierungsbedarf besteht aus unserer Sicht insbesondere für das Marketing, das quantitativ und qualitativ weiter optimiert werden muss. Die aktuell zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel, die vor allem für private Programmveranstaltervon DAB+ Programmen limitiert sind, reichen nicht aus, um eine ausreichende Kommunikationspenetranz zu erzeugen. Hier müssen aus meiner Sicht sowohl die Medienpolitik, die Geräteindustrie, der öffentlich-rechtliche Rundfunk als auch der Netzbetreiber Media Broadcast deutlich mehr Mittel zur Verfügung stellen, um in der kommunikativen Wahrnehmung ausreichend Relevanz zu erfahren.

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