Meinungsbarometer: Mister Sethill, was muss in Deutschland passieren, damit sich Digital Radio durchsetzt?
Anthony Sethill: In Deutschland hat man sich bisher zu sehr mit technischen Fragen beschäftigt. Dabei ist DAB+ ein ausgezeichneter Standard. Und Digitalradios gibt es schon ab 40 Euro. Erfolgskritische Zugangsbarrieren zu Digital Radio sind also bereits ausgeräumt. Mittlerweile orientieren sich die Akteure aber verstärkt an Märkten, in denen Digital Radio bereits erfolgreich ist. Auch in Deutschland sollte jetzt eine Plattform gebildet werden, die den Übergang zu Digital Radio koordiniert. Um diese „harten Kern“ muss sich dann eine breite Front von Verfechtern sammeln. Und Deutschland braucht einen „Champion“, der – wie die BBC in Großbritannien – auf dem Weg vorangeht. Die Akteure sollten klug mit der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) zusammenarbeiten. Und die Veranstalter müssen neue Programme exklusiv per Digital Radio verbreiten und diese über ihre UKW-Programme bekannt machen. Dann gibt es in fünf Jahren auch in Deutschland zehn Millionen Digitalradios. Aber: Die Befürworter von Digital Radio müssen sich zuerst einmal erfolgreich selbst organisieren. Gelingt dies nicht, wird die deutsche Radioindustrie 2020 konsterniert zurückblicken: „Warum haben wir damals nicht …?“
Angesichts der gerade abgeschlossenen Ausschreibung für einen nationalen Digital Radio-Multiplex – Was sagen Sie den Unentschlossenen und Zögerern?
Die Programmveranstalter sollten bedenken: Wenn sie jetzt nicht zur digitalen Verbreitung migrieren, dann haben sie in zehn Jahren kein funktionierendes Geschäftsmodell mehr. Denn dann hören nur noch ein paar alte Leute UKW. Veranstalter, die ihre UKW-Frequenzen als „Lebensversicherung“ betrachten, sollten über den Tellerrand schauen. Junge Menschen wollen schon heute auf ihrem iPod die Bilder von Interpret, Moderator, Studio oder auch eine Wetterkarte sehen. UKW war der Übertragungsstandard des 20. Jahrhunderts, der des 21. ist Digital Radio. In Deutschland gibt es derzeit auch großes Interesse an Internet-Radio. Aber die Übermittlung der Signale nach dem Postprinzip „Jeder Empfänger muss einzeln angesteuert werden“ ist einfach zu teuer. Internet-Radio kann daher nur Ergänzung aber kein Ersatz für die digital-terrestrische Verbreitung „one to many“ sein.
In welcher Form wird Frontier Silicon den Digital Radio-Launch in Deutschland unterstützen?
Unser Unternehmen hat in den letzten Jahren mehr als zehn Millionen US-Dollar in die Entwicklung neuer Digitalradio-Chips investiert. Mit dem abzusehenden bundesweiten Neustart von Digital Radio in Deutschland beschleunigen wir noch einmal unsere Bemühungen, um kostengünstigere, energiesparendere und mehrnormfähige DAB/DAB+/DMB-Systeme zu entwickeln.
Welche Aufgaben erfüllt der 2009 gegründete Geschäftsbereich „in-car radio“ – unter anderem mit einer Dependance in Deutschland?
Von 2002 bis 2005 war Frontier Silicon Ausrüster für alle mit Digitalradio ausgelieferten Mercedes-Benz-Modelle. Ab 2005 bis Ende 2008 haben wir nicht mehr in die Autoradio- Entwicklung investiert, weil der Markt einfach noch zu klein war. 2009 gab es dann in Frankreich die Entscheidung, DMB ab 2013 auch in Autos per Gesetz einzuführen und in Großbritannien die Ankündigung, UKW bis 2015 abzuschalten. Daraufhin haben wir spezielle Software zur Nutzung von TPEG (Transport Protocol Experts Group) entwickelt, die auch eine automatische Senderanwahl – etwa nach einer Tunneldurchfahrt – ermöglicht. Neben der Kooperation mit Mercedes-Benz verhandeln wir derzeit mit weiteren Herstellern. Da die Gespräche andauern, möchte ich aber noch keine Details nennen.