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Wie wir kollaborativ konsumieren

Und welche Chancen und Gefahren das birgt

Prof. Dr. Reinhard Loske, Präsident - Professur für Nachhaltigkeit und Gesellschaftsgestaltung, Cusanus Hochschule - staatlich anerkannte Hochschule in freier Trägerschaft Quelle: PR Reinhard Losk Präsident Cusanus Hochschule 08.07.2019
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"In der Sharing Economy, auf die wir durch die Digitalisierung zulaufen, wird Zugang wichtiger als Eigentum, Nutzen wichtiger als besitzen", sagt der Forscher Prof. Dr. Reinhard Loske. Er empfiehlt den Marktteilnehmern sich dringend darauf einzustellen. Und auch die Politik muss ein Auge auf die Entwicklung haben.







Flatrates für TV-Serien, für Musik-Angebote, Kommunikations-Leistungen sind etabliert – doch inzwischen gibt es auch Abo-Modelle für Autos, Möbel und alles Mögliche. Was sind die wichtigsten Vorteile solcher Abo-Modelle für Anbieter und Verbraucher?
In der Sharing Economy, auf die wir durch die Digitalisierung zulaufen, wird Zugang wichtiger als Eigentum, Nutzen wichtiger als besitzen: So wenig ich heute eine Kuh besitzen muss, um ein Glas Milch trinken zu können, oder eine Kapelle, um beten zu können, so wenig muss ich in Zukunft ein Auto besitzen, um mobil sein zu können, oder mir alle paar Jahre neue Möbel anschaffen, um gut eingerichtet zu sein. Ich kann die Sachen auch leihen oder leasen, sie gebraucht kaufen, tauschen oder gemeinschaftlich mit anderen nutzen, wenn man so will: kollaborativ konsumieren. Das bietet theoretisch Chancen für Nachfrager wie Anbieter, zwischen denen die Grenzen in sogenannten Prosumenten-Netzwerken zunehmend verschwimmen. Die Nachfrager können sich vom zeitfressenden Besitzballast befreien, Kosten sparen, etwas für die Umwelt tun und sich auf das konzentrieren, was ihnen wirklich wichtig ist; die kommerziellen Anbieter müssen zwar ihre Geschäftsmodelle ändern, von reinen Hardware-Verkäufern zu Dienstleistern werden, die einen zugesagten Nutzen sicher bereitstellen, aber sie können damit ebenso gutes Geld verdienen wie mit dem bloßen Absatz von möglichst vielen Dingen. In dem Kontext können Flatrates sinnvoll sein, weil sie auf beiden Seiten Planbarkeit und Kostensicherheit erhöhen. Aber wie alles im Leben sind Flatrates nicht risikofrei: Bei Verbrauchern können sie Sucht und Maßlosigkeit fördern, wofür das "Flatrate-Saufen", der exzessive Serienkonsum oder die übertriebene Modefixierung nur als extremste Formen stehen; bei Erzeugern können sie zu einem Verlust von Qualitäsbewusstsein, Ressourcenvergeudung und zu aggressiven Vermarktungsformen führen, die unakzeptabel sind.

Nach Untersuchungen - etwa in der Autobranche - sind Abos oft teurer als die zu erwartenden Kosten beim Kauf und eigenen Betrieb vergleichbarer Produkte. Wofür lohnen sich die Mehrausgaben?
Dass die Automobilindustrie lieber Autos verkauft als Mobilitätsdienstleistungen ist Teil ihres aktuellen Problems. Man wünscht sich eine Welt zurück, in der der private PkW-Besitz das Maß aller Dinge ist, quasi die "Liebe zum Automobil" als Leitkultur. Aber diese Welt ist dem Untergang geweiht, mindestens in den Städten. Bei den großen Stromkonzernen war es ähnlich, sie wollten lange Zeit auch lieber möglichst viel Energie verkaufen und möglichst große Kraftwerke bauen statt Energiedienstleistungen anzubieten und die Erneuerbaren Energien zu fördern. Die Folgen sind bekannt. Heute haben sie kapiert, dass es letztlich um Negawatt statt Megawatt geht, um Energieintelligenz und -einsparung statt um Absatzmaximierung. Wahrscheinlich kommt die Einsicht aber zu spät, denn kleine und dezentrale Akteure werden auf den Energiemärkten immer wichtiger. Die Autoindustrie könnte es vielleicht noch rechtzeitig schaffen, wenn sie jetzt die Kurve kriegt. Mein Rat an sie wäre deshalb, sich systematisch von reinen Autoverkäufern zu integrierten Mobilitätsdienstleistern zu entwickeln und in die Kooperation mit den Städten und den öffentlichen Verkehrsbetrieben zu gehen, um in Zukunft gute Stadtmobilität zu ermöglichen. Welche Rolle in einem solchen Ansatz dann Flatrates spielen, ist gesondert zu betrachten. Das Wiener 365 Euro-Ticket für den öffentlichen Verkehr, also einen Euro pro Tag, finde ich ein interessantes Flatrate-Modell. Da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Es sind den Untersuchungen zufolge vor allem die Jüngeren, die für Abo-Modelle empfänglich sind. Was macht die Flatrates gerade für diese Zielgruppen attraktiv?
Jungen Menschen bilden oft die Pionierkohorte, wenn es um technische oder soziale Innovationen geht. Das ist ja erst einmal positiv, denn dass "früher alles besser war", stimmt ja bekanntermaßen nicht durchgängig. Außerdem fehlt ihnen oft das Geld, um sich hochpreisige Spezialangebote leisten zu können. Sie sind einerseits preisbewusst, andererseits aber auch leichter verführbar. Ich denke, neben der Schaffung von kritischem, auch und gerade konsumkritischem Bewusstsein bei Kindern und Jugendlichen durch Bildung und Erziehung sind hier Transparenzpflichten der Unternehmen und die Verbraucherschutzpolitik sehr wichtig. In gewissem Umfang müssen junge Menschen auch vor sich selbst geschützt werden.

Abo-Modelle könnten, insbesondere wenn Anbieter die Verbraucher langfristig binden, Konzentrationsprozesse am Markt begünstigen. Wie sollten die Regulierungsbehörden dem vorbeugen?
Aufgabe einer jeden Wettbewerbspolitik ist es, Wettbewerbsfairness sicherzustellen, Monopole zu verhindern und da, wo es solche bereits gibt, auch Unternehmensentflechtungen vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund sind auch Flatrates zu beurteilen. Praktische Empfehlungen wären hier etwa klare zeitliche Befristungen und Obergrenzen. Für eine ökologisch orientierten Gesellschaft, zu der wir werden müssen,  kommt immer auch die Frage hinzu: Wirken Flatrates unnötig konsumstimulierend und führen sie zur Ressourcenvergeudung? Wenn ja, müssen klare Grenzen gezogen werden.

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