EU-weit sind mit dem Digital Markets Act sowie Digital Services Act weitreichende Regulierungen für große Plattformen in Kraft getreten und sollen in Kürze gelten. Inwieweit begrenzt das die Macht der großen Plattformen von außerhalb der EU künftig effizient?
Für eco ist mit dem Digital Services Act (DSA) nach dem vor allem Wettbewerbsaspekte adressierenden Digital Markets Act (DMA) das zweite vielbeachtete Digital-Regelwerk der EU-Kommission entstanden. Mit der Kombination dieser beiden Verordnungen wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht, um den europäischen Rechtsrahmen an die technologischen und marktwirtschaftlichen Entwicklungssprünge der letzten 20 Jahre anzupassen. Gleichzeitig wurde damit die eCommerce Richtlinie abgelöst, die den Gegebenheiten der digitalen Kommunikation nicht mehr vollumfänglich gerecht wurde. Als Verband der Internetwirtschaft begrüßen wir insbesondere, dass der DSA die Grundsäulen der eCommerce Richtlinie – wie die Haftungsbeschränkung auf Basis von Notice und Takedown, das Ursprungslandprinzip und das Verbot allgemeiner Überwachung – beibehält bzw. auf diesen aufbaut. Auch begrüßen wir ausdrücklich, dass der DSA, die bisher geregelten Diensteanbieter – Caching-, Hosting- und Zugangsanbieter – nun um Plattformen erweitert. Das war eine unserer wesentlichen Forderungen. Damit wird die Möglichkeit eröffnet denjenigen Rechtssicherheit bei ihren Aktivitäten zu geben, die mehr können, mehr wissen und auch mehr tun wollen, ohne zugleich die Geschäftsgrundlage für diejenigen zu kompromittieren, die weder die Inhalte kennen noch über die finanziellen oder personellen Ressourcen zur Inhaltsregulierung verfügen.
Welche Chancen und Herausforderungen bieten die Regeln für europäische Plattformen?
Der Erfolg europäischer Technologieunternehmen hängt maßgeblich von der Stärke des Europäischen digitalen Binnenmarktes ab. Nur in einheitlichen und harmonisierten Rahmenbedingungen können sich europäische kleine und mittelständische Unternehmen sowie Start-ups etablieren, Unternehmen neue Märkte über die Binnengrenzen hinweg erschließen und im internationalen digitalen Wettbewerb bestehen. Deshalb ist es so wichtig, die Zielsetzung des gemeinsamen europäischen digitalen Binnenmarktes in den Vordergrund der politischen Maßnahmen zu stellen, um eben Chancengleichheit und Vielfalt zu ermöglichen.
Auch wenn mit dem DSA jetzt sicherlich ein Meilenstein der europäischen Digitalpolitik erreicht wurde, so wird er nicht auf Jahrzehnte Bestand haben, wie es bei der eCommerce Richtlinie der Fall war. Vielmehr wird es einer kontinuierlichen Anpassung und Fortentwicklung bedürfen, das ist bereits jetzt absehbar. Aufgrund der vollharmonisierenden Wirkung des DSA muss der nationale Rechtsrahmen konsequent überarbeitet und angepasst werden, da sehen wir schon Herausforderungen bei der Umsetzung in den Ländern.
Positiv bewerten wir in diesem Zusammenhang aber, dass das Netzwerkdurchsetzungs-Gesetz durch den DSA faktisch abgeschafft wurde. Die höchst umstrittene Meldepflicht und Ausleitung von Inhalten, IP und Nutzerdaten für verdächtige Inhalte zum BKA wird durch die Regelungen im DSA abgelöst. Im Ergebnis heißt das: Mit dem DSA hat die Europäische Union ein zentrales Gesetz der Plattformregulierung mit einem deutlich breiteren Fokus auf „illegale Inhalte" geschaffen und damit ein wichtiges Signal gesendet.
Welche Rahmenbedingungen brauchen europäische Alternativen zu den US-amerikanischen und chinesischen Plattformen abgesehen von den nun in Kraft getretenen Regeln?
Deutschland und Europa haben mit ihrer besonderen Wirtschaftsstruktur, die auf vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen mit komplexen Lieferketten und Versorgungsstrukturen aufbauen, ja grundsätzlich schon einen strukturellen Nachteil. Der europäische Markt funktioniert einfach anders. Asiatische und nordamerikanische Länder, deren Volkswirtschaften überwiegend durch große kapitalkräftige Unternehmen geprägt sind, können vergleichsweise unkompliziert Technologien und deren breite Anwendung forcieren und ausrollen. Damit setzen sie eben auch schnell neue technische Maßstäbe.
Darum muss Netzpolitik auch unbedingt europäisch gedacht werden. Grundgedanke der Europäischen Union ist es doch, 27 Mitgliedstaaten näher zusammen zu bringen und Binnengrenzen abzubauen, das gilt insbesondere für digitale Angebote. Dazu gehört es auch, die politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Mitgliedstaaten zu intensivieren und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. Ein gemeinsamer europäischer digitaler Binnenmarkt ist stärker als seine 27 Teilmärkte und bietet Unternehmen mit einem Markt von rund 450 Millionen Einwohnern hervorragende Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg. Nur so wird es auch gelingen, im globalen Wettbewerb gegen andere Volkswirtschaften zu bestehen.
Bedauerlicherweise, hat sich die politische Debatte um den DSA auf europäischer Ebene sehr stark an den großen US-amerikanischen Plattformen fokussiert und weniger daran, wie wir Innovationsspielräume für europäische Unternehmen fördern und Überregulierung für diese Unternehmen abbauen können. Hier müssen wir den Hebel ansetzen, denn aus dem kompakten horizontalen Ansatz ist jetzt teilweise eine doch sehr kleinteilige Regelung geworden. Nur wenn unter Regulierungsbehörden ein konsistentes und einheitlich abgestimmtes Vorgehen besteht, wenn für Unternehmen klare geographische Zuständigkeiten existieren und wenn nicht die Größe einer Rechtsabteilung über den Erfolg eines Unternehmens in Europa bestimmt, können auch europäische Start-ups und KMUs in einem globalen Umfeld bestehen.