Nach einem EuGH-Urteil können Webseiten mit Videos in bestimmten Fällen alsaudiovisueller Mediendienst gelten. Was bedeutet das für die Inhalte-Anbieter?
Die technische Konvergenz von audiovisuellen Angeboten schreitet unaufhaltsam voran. Daraus ergeben sich neue Geschäftsmodelle und auch ein anderes Nutzungsverhalten der Verbraucher, die sich nun unter anderem online Informationen und Unterhaltung auf Youtube oder Netflix anschauen. Sofern das online Angebot mit dem klassischen Fernsehen vergleichbar ist, sollten auch die gleichen Regeln gelten.
Der EuGH-Entscheidung lag das audiovisuelle Angebot einer Online Zeitung zugrunde. Dabei differenziert das Gericht in seinem Urteil danach, ob ein verwendeter audiovisueller Mediendienst von dem journalistischen Bestandteil unabhängig oder eine untrennbare Ergänzung der journalistischen Tätigkeit des Seitenbetreibers darstellte. Bei eigenständigen Angeboten u.a. auf Subdomains von Inhalte-Anbietern handelt es sich nach Auffassung des Gerichts auch unabhängig von der Länge der Videos um „Sendungen“ i.S. der EU Richtlinie über audiovisuellen Mediendienste (AVMD-RL), sodass die gleichen Regelungen wie für Informationsdienste lokaler TV-Sender Anwendung finden.
Der Änderungsentwurf der Kommission zur AVMD-RL berücksichtigt nun die Entscheidung des EuGH und bekräftigt, dass elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften weiterhin nicht dem Anwendungsbereich der AVMD-RL unterfallen, solange sie nicht audiovisuelle Mediendienste im Sinne dieser Richtlinie anbieten.
Wie gleich oder wie verschieden sollten Bewegtbilder im Internet und im Rundfunk behandelt werden?
Medienpluralismus und Meinungsvielfalt sind Kernbestandteile unserer Demokratie an denen wir festhalten. In den letzten Jahren sind die Angebote im Fernsehen und Internet jedoch immer mehr zusammengewachsen, sodass eine Gleichbehandlung dieser vergleichbaren Angebote, die sich nur durch den Übertragungsweg unterscheiden, aus wettbewerbsrechtlichen Gründen geboten ist.
Der Kommissions-Entwurf der neuen AVMD-RL hält aber dennoch, trotz Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Videoplattformdienste, an einer Unterscheidung zwischen einem „linear“ ausgestrahlten Fernsehprogramm und einem „nicht-linearen“ Videoabruf fest. Wichtig ist der Unionsfraktion eine weitere Angleichung der regulatorischen Standards von linearen und nicht-linearen audiovisuellen Mediendiensten mit dem Ziel nicht redaktionelle verantwortete audiovisuelle Dienste einer effektiven Regulierung zum Schutz von Menschenwürde, Jugend- und Verbraucherschutz zu unterziehen.
Nach europäischem Recht ist es u. a. entscheidend, ob das Bewegtbild für sich allein steht, oder lediglich eine Text ergänzt. Im vorliegenden Fall hatte eine Zeitung aus Österreich Videos unter einer Subdomain gesammelt. Ist das aus ihrer Sicht schon eigenständiges Angebot?
Eine Zeitung kann diese Einordnung nicht nach eigenem Gutdünken vornehmen. Sofern auf der Subdomain eine Vielzahl von Videos angesehen werden können, die keinen unmittelbaren Bezug mehr zu den journalistischen Artikeln haben, liegt meiner Meinung nach ein eigenständiges Angebot vor und ist damit eine Gleichstellung mit den audiovisuellen Angeboten in Fernsehen und Rundfunk angebracht. Die Regelungen der AVMD-RL dienen u.a. dem Schutz Minderjähriger sowie der Allgemeinheit vor Aufstachelung zu Hass und sie sehen Anforderungen hinsichtlich kommerzieller Kommunikation und Sponsoring vor. Online Zeitungen müssen sich an diese Regelungen halten, wenn sie Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit auf ihren Seiten anbieten. Die Abgrenzung, ob ein eigenständiges Angebot vorliegt, kann im Einzelfall durchaus schwierig sein; jedoch sorgt die Aufnahme der „Videoplattformanbieter“ in dem Änderungsentwurf der Richtlinie für eine gewisse Klarstellung.
Experten fürchten ein „strukturelles Vollzugsdefizit“, wenn eine große Zahl von Angeboten mit Online-Videos den strengen Regeln für AV-Mediendienste unterliegen würde. Wie sehr lässt sich das Internet kontrollieren?
Es geht darum, bestehende Regulierungsansätze zu überprüfen und an die veränderten digitalen Angebote anzupassen. Die Kommission sieht in ihrem Richtlinienvorschlag eine Stärkung der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsstellen für audiovisuelle Medien vor und damit eine Abwendung von der Selbstregulierung. Die Regulierungsstellen sollen von wirtschaftlichen Organisationen und Regierungen rechtlich und funktionell unabhängig arbeiten können. Auch die Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) wird als permanentes Beratungsgremium mit eigenen Rechten etabliert und soll die Kommission bei der möglichst einheitlichen Umsetzung der Richtlinie unterstützen. Dies sind gute Maßnahmen, um einem möglichen Vollzugsdefizit entgegenzuwirken.
Auf notwendige und faire Regeln im Netz zu verzichten wegen der Sorge, die Kontrolle ihrer Einhaltung sei mühsam, ist kein akzeptables Argument in einem Rechtsstaat. Die virtuelle digitale Welt ist eben kein paralleler rechtsfreier Raum neben einer rechtlich geordneten analogen Welt. Unsere Rechtsordnung bleibt auch im 21. Jahrhunder unteilbar.