Nach einem EuGH-Urteil können Webseiten mit Videos in bestimmten Fällen als audiovisueller Mediendienst gelten. Was bedeutet das für die Inhalte-Anbieter?
Für Inhalte-Anbieter bedeutet es, dass auch einzelne Webseiten, die von ihrem Gesamtangebot getrennt und ausschließlich oder ganz überwiegend audiovisuelle Medieninhalte anbieten, als eigenständiger Dienst gewertet werden können, wenn sie mit anderen vergleichbaren audiovisuellen Mediendiensten konkurrieren. Es geht also darum, Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit bei gleichartigen Angeboten herzustellen. Die Medienanstalten begrüßen dieses Urteil, da es in die richtige Richtung weist: Ein Dienst muss isoliert betrachtet werden. Wenn eine Sammlung und Aggregation von Videos auf einer Untersektion einer Website die Kriterien eines „audiovisuellen Mediendienstes“ erfüllt, darf es nicht darauf ankommen, ob der Dienst beispielsweise von einem Rundfunkunternehmen oder einem – originären – Presseunternehmen stammt.
Wie gleich oder wie verschieden sollten Bewegtbilder im Internet und im Rundfunk behandelt werden?
Zunächst einmal: Ziel der Revision der AVMD-Richtlinie kann es nicht sein, alle linearen und nichtlinearen Bewegtbildangebote vorbehaltlos über einen Kamm zu scheren. Doch natürlich stellt die fortschreitende Konvergenz vor allem das bisherige technische Unterscheidungskriterium des Übertragungsweges – linear oder per Abruf – in Frage. Denn sie führt dazu, dass lineare und nicht‐lineare Inhalte mehr und mehr auf demselben, oft mobilen Endgerät oder dem Smart‐TV auf‐ und abgerufen werden. Unterschiedliche Regulierungsansätze können daher immer weniger mit dem besonderen Charakter eines linearen Rundfunkprogramms begründet werden. Zudem zeichnet sich ab, dass das lineare Fernsehen, das bisher noch Leitmedium ist, von der Nutzung anderer Dienste eingeholt werden könnte. Deshalb ist es wünschenswert, wenn es in einigen Bereichen, etwa bei den quantitativen Werbebestimmungen, zu einer Angleichung der bisher bestehenden Unterschiede in der Regulierungsdichte kommt.
Nach europäischem Recht ist es u. a. entscheidend, ob das Bewegtbild für sich allein steht, oder lediglich einen Text ergänzt. Im vorliegenden Fall hatte eine Zeitung aus Österreich Videos unter einer Subdomain gesammelt. Ist das aus ihrer Sicht schon eigenständiges Angebot?
Ja. In dem Zusammenhang ist vor allem – neben der Eigenständigkeit des Angebots – der Begriff der „Sendung“ relevant: Die bereitgestellten Inhalte müssen Bestandteil eines Sendeplans oder Katalogs sein. Außerdem müssen ihre Form und Inhalt mit Form und Inhalt von Fernsehprogrammen vergleichbar sein. Bei der Einzelfallbeurteilung sind gerade an diese beiden Kriterien hohe Anforderungen zu stellen. Aus dem Grund unterliegt bei Weitem nicht jede Form von audiovisuellen Inhalten auf Webseiten von Verlagen der rundfunkrechtlichen Aufsicht, so dass – anders als in der Fachöffentlichkeit zuletzt befürchtet – die Pressefreiheit in Deutschland auch nach dem Urteil des EuGH gewahrt ist.
Experten fürchten ein „strukturelles Vollzugsdefizit“, wenn eine große Zahl von Angeboten mit Online-Videos den strengen Regeln für AV-Mediendienste unterliegen würde. Wie sehr lässt sich das Internet kontrollieren?
Klassische Kontrolle ist angesichts der zunehmenden Nutzung von internationalen (Streaming-)Angeboten und nutzergenerierten Inhalten auf mobilen Geräten nicht zielführend. Im globalen Internet müssen wir zunehmend auch auf Eigenverantwortung und Selbstverpflichtungen – beispielsweise der Plattformbetreiber – setzen. Diese sogenannte regulierte Selbstregulierung fördert die Verantwortung der Anbieter. Im Jugendmedienschutz – in dem die Medienanstalten auch komplett für die Aufsicht über Telemedien zuständig sind – arbeiten wir schon seit einiger Zeit erfolgreich damit. Für eine optimale Umsetzung eines solchen Systems braucht es jedoch auch eine starke Aufsicht, die Maßstäbe und Kriterien einer effektiven Selbstkontrolle festlegt. Ganz ohne Regeln, die uns helfen, mit den neuen Entwicklungen besser umgehen zu können, wird es auch und gerade in Zukunft nicht gehen. Wir setzen darauf, dass die Politik bereits im nächsten Rundfunkstaatsvertrag entsprechende Weichen stellt und den Medienanstalten das notwendige Handwerkszeug – im Sinne einer Missbrauchsaufsicht, nicht einer Vorabkontrolle – zur Umsetzung an die Hand gibt.