Die AGF hat audiovisuelle Gesamtreichweiten für TV und Online-Streaming angekündigt. Was bedeutet das für den Markt?
Streaming wird in der Nutzung zunehmen - ob nun auf den sendereigenen Plattformen oder auf anderen. Um diese Nutzung sichtbar zu machen, bedarf es einer ausgereiften, belastbaren Methodik. Diese ist hier angekündigt und stellt sich dem Praxistest – und das ist ein großer Schritt.
Nun gilt es, auch Player mit an Bord zu nehmen, die nicht bereits im Sender-Vermarkterpaket enthalten sind. Nur damit erhält der neue Daten-Standard langfristig genügend Relevanz.
Bleibt die Frage, bringt uns dieser Datensatz auch im aktuellen Umfang weiter? Ja, er ermöglicht konsequent crossmedial gedachte Angebote von Senderseite, die transparent bewertet werden können auf Basis einer einheitlichen Betrachtungsweise, die wiederum für Kunden, Agenturen und Anbieter jederzeit nachvollziehbar ist.
TV- und Online-Nutzung unterscheiden sich stark. Wie gut lassen sich daraus einheitliche Reichweiten ermitteln?
Hier ist zu unterscheiden zwischen methodischen und qualitativen Aspekten. Methodisch müssen die Leistungswerte der jeweiligen Gattung sauber dargestellt werden – und dies erfolgt über die zeitliche Komponente, die Nutzungsdauer. Diese ist für die Berechnung von audiovisuellen Gesamtreichweiten die zentrale Kennziffer.
Es bleibt die Frage nach den Wirkungskomponenten: Wirkt ein Pre-Roll genauso wie ein TV-Spot und darf man sie dann auch zusammenrechnen? Die AGF-Daten können darauf natürlich keine Antwort liefern. Das gilt allerdings auch schon für die Bewertung unterschiedlicher TV-Spotformate. Hier ist die Leistung des Beraters gefordert, um eine durch Forschungsergebnisse und Erfahrungswerte validierte Einschätzung abzugeben.
Nach ersten veröffentlichten Ergebnissen sehen nur ein Bruchteil der Zuschauer die Sendungen im Netz. Sind die Mediatheken als Werbeträger interessant?
Natürlich spielen Mediatheken bei der Bewegtbildplanung immer eine Rolle, da sie hochwertigen Content bei gleichzeitig hohen Durchsichtraten bieten. Und die Mediatheken bedienen interessante Zielgruppensegmente, die mit linearem Fernsehen nicht mehr so gut erreichbar sind: jünger und mobiler.
Die bisher veröffentlichten Werte sind nicht wirklich überraschend, denn hier zeigt sich sehr deutlich die zunehmende Fragmentierung des Marktes. Hierauf müssen wir reagieren und über kumulative Planungen die notwendigen Reichweiten aufbauen. Aber auch hier gibt es Ausnahmen: Highlights wie „Germany’s Next Top Model“ erzielen mehr als eine Million Abrufe pro Folge.
Ein Manko ist allerdings, dass die Verbreitung des Contents der TV-Sender über die unterschiedlichen Plattformen (u. a. YouTube) noch nicht vollständig erfasst wird. Hier besteht noch dringender Handlungsbedarf von Seiten der AGF – und Google.
Die Online-Nutzung ändert sich schnell, neue Videoplatten und Abspielgeräte kommen, andere Vertriebsplattformen verlieren an Bedeutung. Wie schnell können und müssen die Mess-Methoden dem angepasst werden?
Ggf. muss der ganze Prozess flexibler und schneller gestaltet werden, um eine realistische Nutzungsentwicklung abbilden zu können. Aber Geschwindigkeit ist natürlich kein Selbstzweck, wenn das Ergebnis nicht realistisch genug ist, um eine gute Entscheidungsgrundlage für den Markt zu sein.
Glücklicherweise entwickelt sich auch die Messtechnik weiter und bietet immer wieder neue Ansätze zur Optimierung – sei es in der Positionierung der Schnittstelle im Datenfluss an der gemessen wird, sei es in der Verarbeitungsfähigkeit der entstehenden Datenmassen. Es bleibt auf jeden Fall eine kontinuierliche Herausforderung.
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass es immer noch die TV Sender sind, die dies alles zur Verfügung stellen und auch die Kosten maßgeblich tragen. Dies sollte im Markt bedacht werden, wenn von wenigen Marktteilnehmern Investitionen eingefordert werden, die den gesamten Bewegtbildmarkt abbilden sollen.