Meinungsbarometer: Herr Dr. Beermann, die Verträge zum nationalen Digital Radio liegen vor. Wird sich die Politik jetzt zurücklehnen und die Kräfte des Marktes walten lassen?
Johannes Beermann: Nein, sich zurücklehnen und der Entwicklung tatenlos zusehen, das wird die Politik sicher nicht tun. Im Gegenteil: Die Politik wird die Entwicklung aufmerksam verfolgen und falls nötig Stellschrauben justieren, um dem Digital Radio zum Erfolg zu verhelfen. Schließlich braucht es für eine positive Entwicklung von Digital Radio weitere Multiplexe mit landesweiten, regionalen und lokalen Programmangeboten. Die Politik ist aber aktuell nicht der Hauptakteur. Wir haben die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Digitalumstellung und die neuen bundesweiten Programmangebote geschaffen, die Ministerpräsidenten haben die Übertragungskapazitäten vergeben. Jetzt ist es an den Anbietern, den Sendernetzbetreibern und an der Endgeräteindustrie, die Hörfunkdigitalisierung umzusetzen.
Sie sagen, für den Neustart gebe es jetzt bessere Rahmenbedingungen als Ende der neunziger Jahre. Welche sind das?
Der Rahmen hat sich sichtbar verbessert: Es gibt heute mehr Übertragungskapazitäten, deutlich mehr Programmangebote und Zusatzdienste. Auch können deutlich höhere Leistungen für die In-House-Versorgung abgestrahlt werden. Es sind mehr, bessere und preiswertere Endgeräte auf dem Markt und nicht zuletzt wird auch die Verbreitung für die Veranstalter billiger. Dazu kommt, dass zumindest bei uns in Sachsen keine UKW-Frequenzen mehr vergeben werden können, so dass neu auf den Markt strebende Veranstalter nur noch die Möglichkeit der digitalen Verbreitung nutzen können. Oder aus Sicht der Nutzer: Wer neuartige Angebote nutzen möchte, muss digitales Radio hören.
Welche Möglichkeiten sollte die Politik nutzen, um die Radiodigitalisierung zu unterstützen: Wie stehen Sie zur Idee eines Digitalisierungsfonds – gespeist aus Versteigerungserlösen der Digitalen Dividende?
Zur Idee Digitalisierungsfonds: Aus Gründen der Staatsferne des Rundfunks sind die Möglichkeiten der Politik sehr begrenzt, hier sind vor allem die Landesmedienanstalten gefragt. Das Modell Digitalisierungsfonds, wie es zum Beispiel in Österreich praktiziert wird, wurde auch hier des Öfteren diskutiert, scheiterte aber meist an der Frage, wer den Topf „befüllt“. Die ins Spiel gebrachte Speisung des Fonds aus den Versteigerungserlösen der Frequenzen der Digitalen Dividende klingt verlockend, aber über die Verwendung dieser Gelder entscheidet der Bund. Wenn man sich die mühevollen Bund-Länder-Gespräche über die Kostenerstattung für die Räumung der Digitale-Dividende-Frequenzen durch Rundfunkveranstalter und Drahtlos-Mikrofon-Betreiber vor Augen führt – bei denen es um einen Bruchteil der Versteigerungserlöse geht – scheint das allerdings wenig realistisch zu sein.
Im Zusammenhang mit der Novellierung des TKG hat Bundeswirtschaftsminister Brüderle angekündigt, die Frage geeigneter Normen für Digitalradios ausklammern zu wollen. Geräte müssten demnach lediglich W-LAN-Internetempfang ermöglichen. Wie ist dazu der Standpunkt der Länder?
Die Rundfunkreferenten der Länder haben in ihrer Stellungnahme zum ersten TKG-Entwurf nachdrücklich die darin verankerte Pflicht begrüßt, dass ab 2015 jedes neue Hörfunkgerät eine digitale Empfangseinheit haben muss. Aus Sicht des Rundfunks ist eine derartige Regelung für den Erfolg des Digital Radio essentiell. Wir werden das auch in weiteren Gesprächen mit dem Bund deutlich machen. Wegen der begrenzten Bandbreite und der Problematik beim mobilen Empfang beim Web-Radio halten wir eine Beschränkung auf die Internet-Empfangsmöglichkeit derzeit für die Durchsetzung der Hörfunkdigitalisierung nicht für zielführend.