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Interview

Rundfunkbegriff nicht mehr zeitgemäß

Prof. Dr. Uwe Hasebrink, Direktor des Hans-Bredow-Instituts in Hamburg Quelle: Hans-Bredow-Institut 30.11.2006

Herr Prof. Hasebrink, wie wird die digitale Rundfunkwelt 2015 aussehen?

Hasebrink: Kennzeichnende Merkmale der künftigen Rundfunklandschaft werden sein: die Vielzahl der verfügbaren Optionen; eine herausragende Rolle von „Metamedien“, die die Orientierung über die Angebote erleichtern sollen; fließende Übergänge zwischen öffentlicher und individueller Kommunikation, zwischen Konsum und Produktion; außerdem eine weiter fortgeschrittene Durchdringung aller Lebensbereiche mit technisch vermittelter Kommunikation. Bestand wird trotz alledem mit Sicherheit die allgemeine Klage haben, dass es nicht genügend Qualität - was auch immer die jeweiligen Klagenden darunter verstehen - im Medienangebot gebe.

Bislang war Rundfunk Radio und Fernsehen. Ist das neue Angebot aus wissenschaftlicher Sicht überhaupt noch Rundfunk zu nennen?

Die Grenzen werden fließend werden. Bisher haben wir Radio und Fernsehen stark über den technischen Übertragungsweg und das Empfangsgerät definiert - das wird künftig nicht weiter helfen, wenn ganz unterschiedliche Kommunikationsdienste über ein und denselben Verbreitungsweg und ein und dasselbe Empfangsgerät genutzt werden. Dennoch glaube ich, dass es auch unter diesen Bedingungen weiterhin sinnvoll sein wird, von Rundfunk zu sprechen - diesen dann aber nicht technisch, sondern über seine kommunikativen Funktionen zu definieren. Von Redaktionen vorprogrammierte und zeitgebundene Audioangebote mit tagesaktuellem Bezug, die sich an die Öffentlichkeit oder auch an Teilöffentlichkeiten richten, werden die Nutzer auch künftig als „Radio“ wahrnehmen und entsprechende Erwartungen an das Angebot richten: öffentliche Relevanz, Aktualität, journalistische Professionalität und Unabhängigkeit. Entsprechendes gilt für das Fernsehen. Aufgrund dieser besonderen Erwartungen und der sich daraus ergebenden Relevanz für die individuelle und gesellschaftliche Meinungsbildung wird die Kategorie Rundfunk auch für die Regulierung ihre Bedeutung behalten: als Bereich, der besonderer Vorkehrungen zur Sicherung von Vielfalt und Qualität bedarf.

Internet, Mobilfunk, Automobilindustrie - neue Player drängen auf den Markt. Haben die traditionellen Anbieter schon das Ausmaß des neuen Wettbewerbs begriffen?

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich in Umbruchzeiten die Akteure, die neu in einen Bereich hineindrängen, rascher bewegen können als die etablierten Akteure. In der Tat sind neue Formen der Interaktivität oder des „user generated content“ gravierende Herausforderungen für die traditionellen Anbieter. Sie zu ignorieren, wäre gefährlich. Ebenso falsch wäre es allerdings, mit fliegenden Fahnen auf den Zug aufzuspringen und das eigene Profil und die eigenen Stärken zu vernachlässigen. Die Lösung kann nur darin liegen, Rundfunkangebote kreativ mit den neuen Angebotsoptionen zu verknüpfen, um den Nutzern durch ein gelungenes Zusammenspiel der verschiedenen Kommunikationsdienste einen Mehrwert zu bieten.

Stärke von Radio war bislang seine regionale und lokale Ausrichtung, jetzt sind auch bei den Privaten nationale Konzepte im Gespräch. Wie erfolgsversprechend sind solche Pläne?

Unter finanziellen Gesichtspunkten erscheint es sehr naheliegend, dass Anbieter versuchen, mit neuen Angeboten spezifischere Zielinteressen anzusprechen, für die sie nur auf nationaler Ebene auf hinreichende Hörerzahlen hoffen können.

Nach welchen Regeln wird Rundfunk künftig funktionieren?

Die Medienpolitik wird gefragt sein wie nie zuvor. Klassische Ziele der Medienpolitik wie Vielfaltsicherung und Jugendmedienschutz bleiben bestehen. Und neue kommen hinzu: Hatte Regulierung bisher überwiegend den von Anbietern nicht immer geschätzten Charakter der hoheitlichen Grenzsetzung, so entdecken derzeit die Anbieter zunehmend, dass sie selbst das größte Interesse an transparenten und verbindlichen Regeln haben. Denn nur auf einer solchen Grundlage lassen sich tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln.

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