Deutschlandradio will ab dem kommenden Jahr „die großen Fragen der Zeit diskutieren und Orientierung geben“ und zu einer „Denkfabrik“ werden. Was steckt hinter den Planungen und welche konkreten Inhalte und Formate planen Sie?
Die Nachrichtenflut und die Hektik des Alltags führen mitunter dazu, dass wir ganz wesentliche Fragen nicht diskutieren. Zum Beispiel was Begriffe wie Heimat, Identität, Nation für uns heute bedeuten, aber auch vieles andere mehr. Unter dem Titel „Denkfabrik“ bieten wir ab diesem Jahr Veranstaltungen an, in denen wir mit unseren Hörerinnen und Hörern über die Zukunft diskutieren wollen. Wir wollen mit der Denkfabrik einen Raum schaffen, in dem faire Debatten geführt werden können. Ganz wichtig: nicht im stillen Kämmerlein, sondern im engen Austausch mit unseren Hörerinnen und Nutzern. Ich bin außerdem überzeugt, dass Deutschlandradio - und ich meine wirklich die ganze Institution - von den Programmen über die Verwaltungs- und Betriebsdirektion und die Intendanz bis hin zu den Chören und Orchestern der roc - über einen Reichtum an Ideen und Wissen verfügt. Den wollen wir bündeln und noch mehr zur Geltung bringen. Deshalb identifizieren wir gerade Sendungen und Veranstaltungen, die besonders gut zur Denkfabrik passen und haben unser Publikum aufgerufen, uns bis zum 15. August Vorschläge an denkfabrik@deutschlandradio.de zu schicken, welches Thema dasThema des Jahres 2019 sein soll, mit dem wir uns ganz besonders intensiv beschäftigen. Ich freue mich, wenn uns auch die Leserinnen und Leser des Meinungsbarometers ihre Vorschläge schicken.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von der ganzen Gesellschaft finanziert und darf keine Meinung oder Partei „aus Prinzip“ diskriminieren. Wie sollte generell ein journalistisch sauberer Radio-Journalismus in Zeiten von Nationalismus, Polarisierung, Populismus und Unversöhnlichkeit aussehen?
Hundertprozentige Objektivität gibt es nicht, das zu verlangen, ist unrealistisch. Umso wichtiger ist es, dass das Handwerkszeug stimmt: Gründliche Recherche, alle Seiten sollen zu Wort kommen, faire Darstellung des Sachverhalts. Wichtig ist auch, Nachricht und Kommentar sauber zu trennen. Auf diesen Prinzipien gründet sich die Glaubwürdigkeit der Qualitätsmedien. Dass das Vertrauen in die Medien, vor allem in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Presse, in Deutschland noch immer vergleichsweise groß ist, dies zeigen Umfragen und Studien. Sogar die so genannten „Zweifler“ und „Politikfernen“, wie Sozialwissenschaftler diese Menschen nennen, nutzen mehrheitlich die öffentlich-rechtlichen Informationsangebote. Natürlich können bei der Berichterstattung Fehler passieren, das ist ärgerlich, aber menschlich. Dazu muss man stehen und sich auch entschuldigen können. Andererseits würde ich mir wünschen, dass nicht gleich jeder kleine Fehler zur Systemkrise aufgeblasen wird – oder als vermeintlicher Beweis für eine angebliche Verschwörung von Politik und Medien herhalten muss.
Was muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk künftig besser machen? Oder ist der duale Rundfunk vielleicht sogar obsolet?
Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir als öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht predigen, sondern dass wir mit den Menschen sprechen. Deutschlandradio hat als einziger Radiosender Korrespondentinnen und Korrespondenten in jedem Bundesland, wir haben viele Autorinnen und Autoren, die Geschichten aus fast jedem Winkel des Landes erzählen, es gibt Call-in-Sendungen, unsere Denkfabrik soll ein Kommunikationsraum sein. Im kommenden Jahr wird Deutschlandradio 25 Jahre alt, und wir werden diese Gelegenheit nutzen, um uns noch intensiver mit unseren Hörerinnen und Hörern auszutauschen. Dabei ist das duale System mit privaten und öffentlich-rechtlichen Medien keineswegs ein Relikt aus vergangenen Zeiten, dass man einfach so abhaken sollte. Im Gegenteil. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben die Möglichkeit, auf Themen zu schauen, die für private Sender nicht interessant sind, weil sie ein eher kleines Publikum interessieren. Das duale System sorgt dafür, dass das Themenspektrum breit bleibt. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Mediengruppe RTL hat erst vor wenigen Wochen gezeigt, dass fast genau drei Viertel der Befragten sich dafür ausgesprochen haben, dass das duale System aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern erhalten bleiben sollte.
Welche journalistischen Standards sind Ihnen und Ihrer Mannschaft bei der Berichterstattung wichtig?
Die Standards, die für alle seriösen Journalistinnen und Journalisten gelten, und die ich oben schon erwähnt habe: gründliche Recherche, alle Seiten sollen zu Wort kommen, faire Berichterstattung. Und natürlich muss das Thema verständlich erklärt sein. Klare Sprache statt Fachchinesisch und Schwurbel-Floskeln.