Herr Staatsminister Sinner, wenn es um die Leistungserhöhung im Digital Radio geht, gilt Bayern als Vorreiter. Welches Potenzial sehen Sie darin?
Sinner: Ein digitalisiertes Radio hat zahlreiche Vorteile: Neben der besseren Klangqualität sind es vor allem die multimedialen Zusatzangebote und der Gewinn an Übertragungskapazität, die eine Überführung des analogen Rundfunks in die digitale Welt dringlich machen. Was im digitalen terrestrischen Fernsehen bis 2010 möglich scheint, muss im Hörfunk für 2015 unser Ziel sein. Mit der Steigerung der Kapazitäten im Radio haben neue Anbieter eine Chance, es eröffnet sich auch die Möglichkeit einer Deregulierung des Zulassungsrechts. Von dem Mehr an Wettbewerb erhoffe ich mir auch ein Mehr an wirtschaftlichem Ertrag.
Der bessere Indoor-Empfang ist einer der Vorteile. Andere Regionen in Deutschland sollen nachziehen. Inwieweit ist eine flächendeckende Leistungserhöhung realistisch?
Eine ausreichende Versorgung im Haus ist A und O eines Radioempfangs. Wir sind von UKW gewohnt, vom Speicher bis zum Keller die Programme empfangen zu können. Für Bayern war die Leistungserhöhung besonders wichtig, da wir auf den leistungsbegrenzten Kanal 12D angewiesen sind. Andere Regionen in Deutschland sind besser versorgt. Entscheidend für die Zukunft ist aber, dass mit der Europäischen Frequenzkonferenz 2006 endlich die Grundlagen für eine Digitalisierung aller analoger Frequenzen geschaffen wurde. Damit haben wir eine Verdreifachung der leistungsfähigen Sendegebiete. Als Nächstes muss eine konzertierte Aktion zur Planung der bundesweiten, landesweiten und regionalen Bedarfe folgen.
Welchen Schwung kann dies für den angepeilten Neustart 2009/2010 für das digitale Radio geben? Wie realistisch halten Sie einen bundesweit gemeinsamen Neustart?
Neue Frequenzen geben einen ganz wesentlichen Impuls für die Attraktivität des digitalen Radios. Viele Kritikpunkte, die bisher manche Länder zögerlich machten, gehören damit der Vergangenheit an. Angesichts der neuen Möglichkeiten kann ich mir nicht vorstellen, dass einzelne Länder weiterhin die Modernisierung des Radios verzögern. Derzeit laufen Gespräche mit den öffentlich-rechtlichen und den privaten Sendern. Es sollte gelingen, zum Jahresende erste Fortschritte zu erzielen.
Für den Erfolg von Digital Radio entscheidend sind aber auch Programminhalte und Empfangsgeräte. Inwieweit kann und muss die Politik darauf Einfluss üben?
Für neue Inhalte soll nicht die Politik, dafür soll der Wettbewerb sorgen. Wo neue Kapazitäten vorhanden sind, können Anbieter und Sender, die bisher in der Region nicht vertreten waren, übertragen werden. Dies gilt auch für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk. Im Fernsehen ist es uns z. B. selbstverständlich, dass wir auch dritte Programme aus den Nachbarländern erhalten. Warum soll das nicht auch mit Hörfunkprogrammen der Fall sein? Der wichtigere Faktor ist in meinen Augen aber, dass die Empfangsgeräte in großer Zahl und zu günstigen Preisen verfügbar sind. Jeder Bürger hat mehrere Empfangsgeräte zu Hause. Um das neue Digital Radio zu nutzen, braucht es eine niedrige finanzielle Eintrittsschwelle.
UKW ist europaweit ein grenzüberschreitendes System, welche Kriterien muss ein digitales Nachfolgesystem erfüllen?
Jedes grenzüberschreitende System erfordert einheitliche Gerätestandards. Erfreulicherweise ist dies für die DAB-Familie inzwischen europaweit gelungen. In einigen europäischen Ländern ist DAB schon eingeführt, in Großbritannien läuft DAB sogar sehr gut. Von dirigistischen Maßnahmen der EU-Kommission halte ich wenig. Der Markt ist viel besser in der Lage, schnell eine Entwicklung voranzutreiben. Das hat man bei verschiedenen Technologien in der Vergangenheit auch erleben können. Es müssen überzeugende Geschäftsideen und Geschäftsmodelle sein, keine bürokratischen Vorgaben. Die EU kann allenfalls Gesprächsrunden moderieren, um die Mitgliedstaaten, die Veranstalter und die international operierenden Technikproduzenten zusammenzubringen.