Eine Reihe von Firmen haben Mitarbeiter zumindest zum Teil aus dem Homeoffice wieder zurück ins Büro geholt - was ist aus Ihrer Sicht das richtige Maß bei Anwesenheit vs. Mobile Arbeiten?
Die beste Balance scheint auf jeden Fall in einem hybriden Modell zu liegen, dies ist sowohl für Unternehmen als auch Beschäftigte am vorteilhaftesten. Bezüglich der „perfekten“ Aufteilung hängt der individuelle Best Practice zwar von den Präferenzen, Tätigkeiten und Teamkultur ab, im Durchschnitt kristallisieren sich aber zwei (bis drei) Homeoffice-Tage als beste Lösung heraus. Hier zeigen Studien die vorteilhaftesten Effekte auf Leistung, Karriere und Mitarbeiterbindung.
Nicht unter den Tisch fallen dürfen bei dieser Debatte aber die zwar in den letzten Jahren geschrumpfte, aber mit rund 10% der remote-fähigen Beschäftigten noch immer nennenswerte Gruppe, die – aus diversen Gründen – nicht von zu Hause arbeiten können bzw. wollen. Untersuchungen bestätigen die Vermutung, dass diese Personen in Vollzeit-Präsenz ebenso zufrieden sind wie hybrid Arbeitende. Es ist demnach Verantwortlichen zu raten, zuerst die Präferenzen ihrer Belegschaft abzufragen, bevor Büroflächen allzu deutlich verkleinert und Shared Desk-Lösungen ausgerollt werden. So wird verhindert, dass sich „Präsenz-Arbeiter“ genötigt fühlen gegen ihren Willen von zu Hause zu arbeiten. Das kann nämlich nach hinten losgehen.
Letzten Endes lohnt es sich für Betriebe und Beschäftigte gemeinsam nach einem für alle praktikablen Hybrid-Modell zu suchen, denn am Ende profitieren beide Seiten davon.
Welche besonderen Anforderungen stellen Hybride Modelle an Führungskräfte und Mitarbeitende?
Bei mobiler bzw. hybrider Arbeit geht es vor allem um Vertrauen. Vorgesetzte mussten bzw. müssen lernen, ihre Mitarbeiter:innen an der langen Leine zu lassen und Ergebnisse zu bewerten, nicht die bloße Anwesenheit. Das gilt zwar eigentlich auch für Präsenzarbeit, ist aber bei Mobilarbeit offensichtlicher und gelangte während der Pandemie stärker in den Fokus. Es geht hier um klare Kommunikation über und Transparenz von Erwartungen, das Management von Erreichbarkeiten sowie um eine inklusive Teamkultur. Und auch um die Vorbildfunktion: Wenn die Führungskraft jeden Tag im Büro ist und auch noch um 22 Uhr E-Mails schickt, sendet das natürlich ein falsches Signal. So leicht ist das nämlich nicht: Mobil Arbeitende arbeiten im Durchschnitt länger, sprich häufen (mehr) Überstunden an, und sind häufiger außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten erreichbar.
Beschäftigte müssen hingegen darauf vertrauen, dass Ihre Arbeit wahrgenommen wird und häufiger anwesende Kolleg:innen nicht – bewusst oder unterbewusst – bevorzugt werden („Proximity Bias“).
Welche Rolle kann die Möglichkeit Mobiler Arbeit beim Recruiting spielen?
Regelmäßiges Homeoffice ist zu einem entscheidenden Faktor im Recruiting geworden. Hierfür grundlegend geeignete Jobs werden heute fast immer damit beworben und viele Fachkräfte würden einen Job ohne hybrides Arbeiten kategorisch ausschließen oder nur als Notlösung in Betracht ziehen. Dafür können Unternehmen nachweislich aus einem größeren Bewerberpool schöpfen, wenn bei nur 2 bis 3 Office-Tagen auch weitere Pendel-Distanzen in Kauf genommen werden. Gerade bei Fachkräfteengpässen ein wichtiger Faktor.
Mobile Arbeit ist also ein klarer Wettbewerbsvorteil, insbesondere wenn die Konkurrenz noch hinterherhinkt. Nach und nach „verkommt“ die Homeoffice-Option dann natürlich zum Standard-Kriterium, allerdings ändert das nichts an der Notwendigkeit sich als Arbeitgeber diesem Bedarf zu stellen. Unternehmen müssen deshalb aber nicht auf voll-flexibles mobiles Arbeiten setzen: Die Mehrheit der Beschäftigten mit remote-fähigen Tätigkeiten wünscht sich 2 bis 3 Tage Homeoffice pro Woche und schätzt gleichzeitig die Arbeit im Büro.
Welche rechtlichen Regelungsbedarf sehen Sie auf diesem Feld?
Immer wieder wird das Recht auf Homeoffice diskutiert. Ich als Nicht-Jurist bin da eher skeptisch: Zum einen sollte der Markt das eigentlich selbst regeln, wenn die Mobilarbeits-Option von vielen Arbeitskräften gewünscht oder gar vehement gefordert wird und sich dem verweigernde Unternehmen somit Schwierigkeiten kriegen sollten langfristig ihren Fachkräftebedarf adäquat zu decken. Zum anderen böte solch ein Recht unter Umständen zu wenig Spielraum, um der Wirklichkeit in vielen Betrieben gerecht zu werden. Schließlich existieren in diversen Fällen auch valide Gründe gegen Mobilarbeit, seien es ungeeignete Tätigkeiten, ein Schichtsystem oder der Datenschutz.
Die wohl schwierigste Diskussion dreht sich aber um die 11-stündige Mindestruhezeit im Arbeitszeitgesetz. Das Arbeiten von zu Hause ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits hilft es dabei, Arbeit und Privatleben besser unter einen Hut zu bekommen, andererseits verschwimmen dadurch aber auch die Grenzen zwischen beiden Bereichen. So ist Mobilarbeit manchen ein Dorn im Auge, die nachmittags lieber Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich abends dafür noch einmal zu Hause an den Rechner setzen – und somit bis zum nächsten Morgen nicht mehr auf 11 Stunden Ruhezeit kommen. Man darf aber nicht unterschlagen, dass diese Regelung eine wichtige Errungenschaft darstellt, um Beschäftigte vor Entgrenzung zu schützen. Würde die Mindestruhezeit reduziert, könnte das in manchen Fällen die Erreichbarkeit nach Feierabend erhöhen.

