Unserem guten alten Fernsehen, dem sogenannten linearen TV, geben Medienfachleute nur noch wenige Jahre Bestandsschutz. Den medialen Todesstoß soll demnächst das vielbesprochene Hybrid-TV setzen. Das sind nicht-lineare Abrufinhalte mit einer großen Portion Interaktivität, die sehr bald massenhaft ins deutsche Wohnzimmer einziehen sollen. Egal ob Digi-Text, Apps oder Medien-Portal; intelligente Fernsehgeräte sind als „Smart-TV“ mit Webportalen im Internet verlinkt und bringen so dem Zuschauer neue vielfältige TV-Dienste. Um ein bisschen Ordnung in die unüberschaubare digitale Vielfalt zu bringen, hat die Deutsche TV-Plattform am 6. April einen Workshop „Vom Smartphone zum Smart-TV: Apps erobern den Fernseher“ veranstaltet. Im Mittelpunkt der zehn Fachvorträge in der Medienstadt Babelsberg stand die Frage, wie die neue Generation der Unterhaltungselektronik, sogenannte Smart-TV, den Zuschauern einen echten Mehrwert und ein neues Fernseherlebnis bieten können. Grundlage für die neue Technik ist, „dass der Flachbildschirm vom Fernseher zum multimedialen Terminal wird, in dem das klassische lineare Fernsehen nur eine von circa zehn Kernanwendungen sein wird“, so Matthias Greve, CEO bei VideoWeb. Neben den bekannten TV-Sendern sollen dann auch „Verlage, kleine Produktionsfirmen, Privatpersonen, WebTV-Sender, Vodcasts, Special Interest oder auch eigene, private Inhalte“ über die Mattscheibe flimmern, glaubt Greve. Der Geschäftsführer nimmt an, dass bereits in fünf Jahren jeder zweite Flachbildschirm interaktive Funktionen integrieren kann. Schon heute gibt es dafür mit dem sogenannten HbbTV (Hybrid broadcast broadband TV) einen festen Standard. Genau damit wird der TV-Flachbildschirm zum multimedialen Terminal, „für dessen interaktive Programmnutzung wir den roten Knopf der Fernbedienung verwenden“, so Volker Blume, Philips Consumer Lifestyle. Genauso kann laut Blume „in Zukunft aber auch das Smartphone oder der Tablet-PC zur Fernsteuerung des Smart-TV genutzt werden“. Überhaupt scheint die Entwicklung der Unterhaltungselektronik nicht beim TV-Bildschirm Halt zu machen. Für Professor Claus Sattler, Geschäftsführer von Goldmedia Innovation, ist es ganz logisch, dass mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablet-PC nahtlos mit den Smart-TV verknüpft werden können.
Doch spannend ist das neue Smart-TV auch als Businessmodell. Nicht nur, dass Zuschauer aufgrund der Verbindung von Fernsehen und Internet vereinfacht über ihr TV-Gerät einkaufen können, sondern auch die Präsentations- und Werbemöglichkeiten für Dienstleister und die Industrie wachsen ins Unendliche. So steht besonders individueller und individualisierter Werbung nichts mehr im Wege. Etwa der sogenannte „Red Button“, über dessen Kontakt weitere und vertiefende Informationen mit einem Klick zur Verfügung gestellt werden können. Doch bei all der Wunderwelt, die uns das neue Hybrid-TV verspricht, ist es wichtig, so Rike Brecht vom Institut für Medientechnik an der TU Ilmenau, dass Fernsehen „kinderleicht“ und „seniorengerecht“ zu bedienen ist, „der Bezug zum laufenden Programm nicht verloren geht und unterschiedliche Nutzungssituationen berücksichtigt werden können“. Vor allem aber sollte das Hybrid-TV nicht die größte Stärke des linearen Fernsehens vernachlässigen: die (mitunter) gern eingenommene passive Haltung des Konsumenten.