Immer mehr Landwirtschaftsbetriebe setzen auf digitale Anwendungen und KI. Wie steht die Landwirtschaft aus Ihrer Sicht in der digitalen Transformation da?
Die Landwirtschaft ist eine hoch innovative Branche, und landwirtschaftliche Unternehmer sind seit jeher technikaffin. Die allermeisten stehen auch der Digitalisierung der Landwirtschaft sehr offen gegenüber. Nach einer vom Industrieverband Agrar in Auftrag gegebenen Studie von 2022 zeigte sich, dass auf zwei Drittel der Ackerfläche in Deutschland Landwirten GPS-basierte Lenksysteme zur Verfügung stehen, die für Precision Farming erforderlich sind. Und auf etwas mehr als der Hälfte der Ackerfläche waren zum Zeitpunkt der Befragung Spritzen mit automatischer Teilbreitenschaltung oder Einzeldüsenschaltung auf dem Betrieb zumindest vorhanden. Vorreiter waren dabei die größeren Betriebe in Ostdeutschland, wo sich die neue Technik schon auf 80 Prozent der Fläche durchgesetzt hatte. Aber die Betriebe im Westen holen auf, und es gibt keinen Anlass zu zweifeln, dass die Zahlen bis heute gestiegen sind. Insbesondere das Förderprogramm des BMEL hat zu weiteren Investitionen in digitale Technologien geführt.
Insbesondere bei Klima- und Wettervorhersagen sind digitale und KI-Anwendungen im Einsatz. Wie können digitale Lösungen bei der Anpassung an den Klima-Wandel helfen?
Für den Landwirt sind präzise Prognose-Systeme schon immer entscheidend gewesen. Das Besondere am Precision Farming ist die nutzbringende Verknüpfung der Daten. In den vergangenen Jahren wechselten sich niederschlagsarme mit niederschlagsreichen Phasen ab. Gerade in feuchten Frühsommern muss der Landwirt schnell handeln, um sein Getreide, sein Obst und Gemüse oder seinen Wein vor Pilzbefall zu schützen. Da hilft es ungemein, wenn verlässliche Wetterdaten zusammengeführt werden mit Informationen über das geeignete Fungizid und entsprechenden Daten über die Anwendungsbestimmungen („Wann darf/muss ich wo was in welcher Menge anwenden?“). Das beschleunigt Entscheidungen und erleichtert dem Landwirt die erforderliche Dokumentation der Pflanzenschutzmaßnahme.
Vor allem in Sachen Nachhaltigkeit sehen viele Landwirte große Potenziale in digitalen Lösungen. Welchen Beitrag kann die Digitalisierung in diesem Bereich leisten?
In der Digitalisierung liegt ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Schlüssel zur Steigerung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. Besonders bei der zielgerichteten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldüngern sind digitale Lösungen in Verbindung mit moderner Ausbringungstechnik unverzichtbar. Es ist eines der ambitionierten Ziele des Europäischen Green Deal, den Einsatz und das Risiko von Pflanzenschutzmitteln in den nächsten Jahren massiv zu reduzieren. Das kann im schlechtesten Fall zu erheblichen Einbußen bei der Erntemenge führen, was wiederum nicht wirklich nachhaltig ist; die Folge wären steigende Preise für Verbraucher und sinkende Einkommen für Landwirte. Wenn allerdings die heute schon zur Verfügung stehenden Technologien, vor allem teilflächenspezifische Spot-Applikationen, auf jedem Acker eingesetzt würden, könnten wir zu vertretbaren Kosten den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um fast 30 Prozent reduzieren – ohne dass dabei Erntemenge verloren ginge.
Als größtes Hemmnis sehen die Betriebe die hohen Investitionskosten. Wie kann und sollte die Politik da unterstützen?
Gezielte Investitionsförderungen, wie es sie im Rahmen der so genannten Bauernmilliarde schon gab, sind sicher ein guter Weg, öffentliche Gelder zur Förderung einer nachhaltigeren Landwirtschaft einzusetzen. Aber um der Digitalisierung in der Landwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen, sind alle Akteure gefordert. Wir als Industrie haben uns auch verpflichtet, unseren Anteil zu leisten. In diesem Jahrzehnt wird die europäische Pflanzenschutzmittel-Industrie allein 10 Milliarden Euro im Bereich Digitalisierung und Präzisionslandwirtschaft investieren. Und übrigens kann der Staat noch mehr tun, als nur die Investition in neue Maschinen zu fördern. Durch die Bereitstellung einheitlicher staatlicher Daten und Informationen wie maschinenlesbare Geo- und Wetterdaten könnte die Digitalisierung schneller ihr Potenzial auf dem Acker entfalten. Und auch die Förderung der Anwendung auf dem Acker könnte die Nutzung für kleinere Betriebe attraktiver gestalten.
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