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Mehr Dialekte im Radio nicht zu erwarten

Warum Mundart für die Programmmacher trotzdem Sinn machen könnte

Prof. Dr. Alfred Lameli, Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas Quelle: DSA Alexander Hiller Redakteur Meinungsbarometer.info 23.11.2017
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
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"Dass im Radio der Zukunft mehr Dialekt zu hören sein wird, ist nicht zu erwarten."Das sagt Prof. Dr. Alfred Lameli vom Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas. Dennoch täusche der Eindruck nicht, dass sich etwas getan hat, denn es lassen sich durchaus neue Formate erkennen, die sich den Dialekten verpflichtet fühlen. "So lange regionales Sprechen alltäglich bleibt und die Medien von Menschen konsumiert werden, die mit regionalem Sprechen Erinnerungen an Herkunft und Heimat verbinden, so lange werden Dialekte ein Mittel sein, das sich die Medienvertreter zu Nutze machen werden und das viele Hörerinnen und Hörer gerne aufnehmen werden."







Viele Radiostationen entdecken die Dialekte und die Mundart ihrer Region wieder. Sind das nur Einzelfälle oder erkennen Sie darin einen Trend?
Wenn man davon ausgeht, dass in Deutschland hunderte lokaler und regionaler Programme senden, von denen sicher die wenigsten im Dialekt ausstrahlen, muss man schon von Einzelfällen sprechen. Dass im Radio der Zukunft mehr Dialekt zu hören sein wird, ist nicht zu erwarten. Dennoch täuscht der Eindruck nicht, dass sich etwas getan hat, denn es lassen sich durchaus neue Formate erkennen, die sich den Dialekten verpflichtet fühlen. Ob dies nun Sender sind, die auf ein exklusives Dialektprogramm setzen oder aber auf rein dialektale Musiktitel, sie alle bereichern die Radiolandschaft um neue Facetten, wenn sie auch in den Marktanteilen hinter den etablierten Sendern zurückstehen.

Und noch etwas ist auffällig. Wenn man gezielt nach solchen Spartensendern sucht, wird man eher im süddeutschen Raum fündig als im norddeutschen. Hier spiegelt sich ein Stück weit die alltägliche Bedeutung der Dialekte wider. Das heißt aber nicht, dass Dialekt im Radio neu sei. Im Gegenteil sind Dialekte schon sehr lange in den Medien auf vielfältige Art und Weise präsent. Zum Beispiel im norddeutschen Raum hat man schon früh den Dialekt in einzelne Programmteile aufgenommen. Die „Narichten op Platt“ sind hier für viele Menschen schon längst zur Gewohnheit geworden.

Lange wurden Dialekte und Mundart im Radio vor allem als Stereotype für Comedy genutzt, heute werden auch Nachrichten und Moderationen mit lokaler Sprachfärbung präsentiert. Warum werden Dialekt sprechende Figuren heute ernst genommen?
Ob hier wirklich eine Veränderung vorliegt, ist schwer zu sagen. Sicher geht es bei der Verwendung von Dialekt vorrangig um Unterhaltung mit einem eher ausgefallenen Angebot, das regional inzwischen historisch gewachsen ist. Gerade die Dialektnachrichten von Radio Bremen verdeutlichen dies seit nunmehr 40 Jahren ohne jeden Zweifel an fachlicher Kompetenz. Dem stehen natürlich Sujets entgegen, die den Dialekt zur Charakterisierung von Figuren nutzen. Da sind in den vergangenen Jahren tatsächlich etliche Stereotype bedient worden, die inzwischen etwas abgedroschen erscheinen und daher nicht mehr unmittelbar medienwirksam sind.

Zugleich gilt aber auch: Wenn die Stereotypisierung des Dialektsprechers zugunsten einer eher positiven Sicht auf das regionale Sprechen im Radio weicht, so ist dies auch Ausdruck davon, dass die eigentliche Zielgruppe, nämlich die Hörerinnern und Hörer in den Regionen, zunehmend ernst genommen wird. Sie scheinen dann in den Vordergrund zu rücken, nicht die Figuren eines Unterhaltungsevents.

Einzelne Dialekte und Mundarten sind für Auswärtige kaum zu verstehen. Wie stark darf ein Dialekt/Mundart gesprochen werden?
Es versteht sich von selbst, dass die Dialektfärbung nur so weit reichen kann, dass das Verstehen noch gewährleistet ist. In den meisten Fällen wird daher auch kein besonders tiefer Dialekt gewählt, sondern eine Variante, die recht nah an die Hochsprache heranreicht. Es bedarf dann häufig nur einzelner Wörter oder Laute, um die regionale Nähe zu markieren. Das hat nicht unbedingt mit Rücksicht auf Auswärtige zu tun. Vielmehr wird hier dem Umstand Rechnung getragen, dass auch die Menschen in den Regionen häufig nicht mehr im Dialekt erzogen worden sind und damit die allgemeine Dialektkenntnis der Hörerinnen und Hörer nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Möchte man ein möglichst breites Publikum ansprechen, ist ein tiefer Dialekt ungünstig.

Im Zuge der Digitalisierung sind alle Programme weltweit über das Internet zu empfangen – andererseits werden die Inhalte immer vielfältiger. Wie sehen Sie die Zukunft von Dialekt und Mundart im Radio?
Das Internetradio hat hier neue Möglichkeiten geschaffen, wovon insbesondere die regionalen Spartensender profitieren können. So lange regionales Sprechen alltäglich bleibt und die Medien von Menschen konsumiert werden, die mit regionalem Sprechen Erinnerungen an Herkunft und Heimat verbinden, so lange werden Dialekte ein Mittel sein, das sich die Medienvertreter zu Nutze machen werden und das viele Hörerinnen und Hörer gerne aufnehmen werden.

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