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Mediennutzung kann zur Radikalisierung der Jugend beitragen

Wie deren Schutz besser organisiert werden sollte

Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg Quelle: LFK Dr. Wolfgang Kreißig Präsident Landesanstalt für Kommunikation (LFK) 07.11.2019
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Aufgrund neuer Risiken ist "eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen des Jugendmedienschutzes sowohl im Bundes- wie im Länderrecht notwendig", sagt Dr. Wolfgang Kreißig, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und Präsident der Landeszentrale für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK). Trotz der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern lassen sich aus seiner Sicht effektive Strukturen schaffen.







Der Täter hat den Terroranschlag in Halle auf einer Gaming-Plattform live übertragen - Innenminister Seehofer hat danach gefordert, die Gamer-Szene stärker in den Blick zu nehmen. Wie bewerten Sie das?
Die Mediennutzung ist ein Aspekt, der auch zu einer Radikalisierung beitragen kann, insbesondere bei Jugendlichen, die noch wenig gefestigt und auf der Suche nach Orientierung sind. Problematisch ist aber nicht die Gamer-Szene als solche, sondern die Mechanismen, die eine Radikalisierung begünstigen oder gar befördern, wie Propaganda, Gewaltverherrlichung, Aufbau von Feindbildern oder Anstiftung zu Straftaten. Diese gilt es zu unterbinden, egal in welcher Szene, auf welcher Plattform oder auf welchem Verbreitungsweg. Deshalb geht die KJM unabhängig von der Art des Angebots gegen Anbieter vor, die extremistische oder in sonstiger Weise desorientierende Inhalte verbreiten.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat ein Jugendmedienschutz-Gesetz angekündigt und will u.a. Betreiber von Gaming-Plattformen zu Schutzmaßnahmen verpflichten - welche sollten das aus Ihrer Sicht sein?
Gaming-Plattformen sind als Online-Angebote schon jetzt nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass von Kindern und Jugendlichen für sie ungeeignete Inhalte üblicherweise nicht wahrgenommen werden können. Zu den damit adressierten klassischen Risikodimensionen wie Gewalt oder Pornografie sind aber im Zuge der dynamischen Medienentwicklung neuartige Risikofelder wie Interaktionsrisiken, Suchtgefahren oder ökonomische Risiken hinzugetreten. Diese Risiken müssen ebenfalls gesetzlich verankert werden, weshalb eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen des Jugendmedienschutzes sowohl im Bundes- wie im Länderrecht notwendig ist. Mögliche Schutzmaßnahmen könnten bspw. die Bereitstellung von Altersverifikationssystemen und effektiven Melde- und Parental-Control-Systemen sein. Wichtig ist außerdem – und auch das gilt nicht nur, aber auch für Gaming-Plattformen –, dass der Gesetzgeber den Aufsichtsbehörden effektivere Instrumente zur Rechtsdurchsetzung bei Anbietern mit Sitz im Ausland an die Hand gibt, um damit ein Level-Playing-Field zu den hiesigen Anbietern zu schaffen.

Die Zuständigkeiten beim Jugend(medien)schutz sind in Deutschland zwischen Bund und Ländern verteilt - welche Auswirkungen hat das auf die Kontrolle digitaler Angebote?
Aufgrund dieser Zuständigkeitsverteilung ist es bislang so, dass auf Trägermedien verbreitete Angebote auf Basis des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) von den Obersten Landesjugendbehörden geprüft werden. Digitale Angebote, die über Telemedien verbreitet werden, prüft die KJM für die Landesmedienanstalten gemäß Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV). Der JMStV hat jedoch diverse Öffnungsklauseln zum JuSchG, um eine Verzahnung der Rechtsgrundlagen zu gewährleisten. Beispielsweise können Altersbewertungen, die nach JMStV von einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle vorgenommen wurden, nach Bestätigung durch die KJM von den Obersten Landesjugendbehörden übernommen werden. Wenn der Jugendmedienschutz nun auch mit Blick auf die Medienkonvergenz modernisiert werden soll, wird es vor allem darauf ankommen, kluge Schnittstellenregelungen zwischen den beiden gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Trotz der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Länder ließe sich in diesem Fall nach meiner Überzeugung eine effektive Aufsichtsstruktur mit klaren Aufgabenverteilungen etablieren.

Neben Regulierung setzen viele Experten auf mehr Medienkompetenz. Was sollte die Politik diesbezüglich tun?
Generell ist die Vermittlung von Medienkompetenz eine zentrale Erziehungsaufgabe. Demnach ist es eine Notwendigkeit, dass alle pädagogischen Fachkräfte hierzu auch entsprechend ausgebildet werden und über die aktuelle Mediensituation informiert sind.  Insbesondere beim Thema Games bedarf es dabei auch eines verstärkten Dialogs um Vorurteile abzubauen. Ein gutes Beispiel für ein hierfür geeignetes Austauschforum sind die sog. ComputerSpielSchulen in Baden-Württemberg, wo man sich informieren und auch eigene Erfahrungen sammeln kann.

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