Der Täter hat den Terroranschlag in Halle auf einer Gaming-Plattform live übertragen - Innenminister Seehofer hat danach gefordert, die Gamer-Szene stärker in den Blick zu nehmen. Wie bewerten Sie das?
Die Äußerungen von Innenminister Horst Seehofer haben wir als game deutlich kritisiert. Nach einem klar rechtsextremistisch motivierten Anschlag pauschal die Gamer in Deutschland in den Blick nehmen zu wollen, zeugt für uns von Unkenntnis und Hilflosigkeit und lenkt von den wirklichen gesellschaftlichen und politischen Ursachen für Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Sexismus ab. Selbst der Bayerische Innenminister sagt, dass es keinerlei Erkenntnisse gibt, dass die Games-Community stärker rechtsradikal unterwandert wäre als die Gesamtgesellschaft. Wenn es zu solchen Fällen kommt, gehen Games-Unternehmen normalerweise ganz konkret dagegen vor. Die Maßnahmen reichen vom Filtern und Untersagen bestimmter Namen und Symbole über Meldefunktionen bis zum Entfernen von Inhalten sowie dem Sperren von Spieler-Accounts. Sowohl wir als Verband als auch unsere Mitglieder sowie die absolute Mehrheit der Games-Community lehnen jede Form von Extremismus und Rechtsradikalismus entschieden ab.
Bundesministerin Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat ein Jugendmedienschutz-Gesetz angekündigt und will u.a. Betreiber von Gaming-Plattformen zu Schutzmaßnahmen verpflichten - welche sollten das aus Ihrer Sicht sein?
Zunächst einmal darf man nicht alles in einen Topf werfen. Die Diskussion um Rechtsextremismus hat mit Jugendschutz erst einmal nicht viel zu tun. Deutschland verfügt zudem über die verbindlichsten gesetzlichen Regeln für die Prüfung und den Verkauf von Games weltweit.
Als Games-Branche fordern wir seit Jahren eine Novelle des völlig veralteten Jugendschutzgesetzes. Die Bundesfamilienministerin will noch in dieser Legislaturperiode ein solches auf den Weg bringen. Sowohl Eltern und Kinder als auch Anbieter müssen sich auf verständliche, zeitgemäße, konvergente und international anschlussfähige Regelungen verlassen können. Als Games-Branche können wir dabei viele gute Systeme und Best Practises anbieten. Beispiele sind das internationale Alterskennzeichen-System der USK für Online-Inhalte oder die erfolgreichen Elterneinstellungen auf Spielekonsolen oder das Jugendschutzprogramm JusProg, das für zahlreiche Endgeräte und Betriebssysteme verfügbar ist. Mit solchen Lösungen zeigen wir bereits heute, wie guter Jugendschutz im digitalen Zeitalter aussehen muss. Die politisch stärkere Unterstützung fehlt allerdings noch.
Die Zuständigkeiten beim Jugend(medien)schutz sind in Deutschland zwischen Bund und Ländern verteilt - welche Auswirkungen hat das auf die Kontrolle digitaler Angebote?
Die Kontrolle digitaler Angebote fällt in Deutschland unter die Regelungen des JugendmedienschutzStaatsvertrages und ist damit Ländersache. Das Prüfen und Freigeben von Trägermedien wie Blu-Rays, DVDs oder Spielmodulen fällt dagegen in den Zuständigkeitsbereich des Bundes und unterliegt dem Jugendschutzgesetz. Diese Aufteilung stammt noch von 2003 und ist heute nicht mehr praktikabel. Nicht nur, weil Kinder und Jugendliche heutzutage ganz unterschiedliche Endgeräte und Dienste nutzen, um auf Medieninhalte zuzugreifen. Durch die Zersplitterung der Zuständigkeiten kommt es auch zu teils unterschiedlichen Verfahren, Entscheidungen und Umsetzungen der Regularien. Die Nutzer werden mit verschiedenen Altersfreigaben konfrontiert, haben keinen klaren Ansprechpartner und für Unternehmen bedeutet die Zersplitterung Rechtsunsicherheiten und hohe Kosten. Mit einem modernen, konvergenten und international anschlussfähigen Jugendschutz wäre das alles vermeidbar.
Neben Regulierung setzen viele Experten auf mehr Medienkompetenz. Was sollte die Politik diesbezüglich tun?
Das Erlernen von Medienkompetenz war noch nie so wichtig wie heute, wo jeder – auch Kinder und Jugendliche – mit einem Smartphone auf eine große Vielfalt von Medien und Inhalten zugreifen kann. Denn nur, wenn sich Kinder und Jugendliche kompetent durch die digitale Welt bewegen können, können sie auch mit problematischen Inhalten umgehen, die sich nie zu 100 Prozent verhindern lassen. Dabei ist das Vermitteln von Medienkompetenz eine Gemeinschaftsleistung, die nicht nur in den Familien und Freundeskreisen stattfindet, sondern vor allem auch in Bildungseinrichtungen. Hier wäre es wichtig, dass die Vermittlung von Medienkompetenz fest in den Lehrplänen der Schulen verankert wird. Außerdem braucht es gute pädagogische Konzepte und eine Weiterentwicklung des Lehramtsstudiums hin zur speziellen Vermittlung digitaler Kompetenzen. Denn Medienkompetenz zu vermitteln, heißt mehr als neue Laptops und Tablets in den Klassenzimmern. Die Politik könnte hier also einiges tun.
Auch die Unternehmen und wir als Games-Branche sind in der Verantwortung, unseren Beitrag zu leisten. Beispielsweise engagieren wir uns über die USK und die Stiftung Digitale Spielekultur im Bereich Medienkompetenz: So gibt es das bundesweite Projekt „Kultur macht stark“ und Eltern finden in einem kostenfreien Elternrategeber viele praktische Tipps rund um den Erziehungsalltag mit Medien.