Die Spielzeit 2016/17 steht kurz vor dem Start. Welche musikalischen Highlights in der kommenden Saison wollen Sie besonders hervorheben?
Nach den prominenten „Composers / Artists in residence” der letzten Spielzeiten (Tan Dun, Steve Reich, Arvo Pärt, Hauschka, Gabriela Montero) haben wir mit Max Richter wieder einen spannenden „Grenzgänger“ für das MDR Sinfonieorchester begeistern können. Chefdirigent Kristjan Järvi dirigiert Werke von ihm in Halle, Leipzig und Dresden. Chorchef Risto Joost wird Brittens eindrucksvolles Werk „Curlew River“ mit den Herren des MDR Rundfunkchors szenisch aufführen und zudem mit allen drei Ensembles des MDR eine konzertante „Carmen“ auf die Bühne des Gewandhauses bringen.
Welche Ideen und Projekte gibt es an Ihrem Haus für das Konzerthaus der Zukunft?
Der MDR entwickelt und erprobt schon seit Jahren immer wieder neue Konzertformate. Wir haben frühzeitig alle Proben für junge Menschen geöffnet, haben interaktive Projekte für Kinder und Jugendliche entwickelt, haben mit der ReihEins eine Konzertreihe etabliert, die Klassik in spannende Zusammenhänge stellt und bei einer Lounge Künstler und Publikum in einen Austausch bringt. Mit eigenen Festivals, die dem „Event-Zugang“ junger Leute Rechnung tragen, gehen wir seit 2012 mit jungen Inhalten auch an ungewöhnliche Spielstätten (von einer Ringerhalle und einem Anatomie Hörsaal bis hin zu Clubs, alten Theatern oder Fabrikgebäuden). Diese Konzerte beinhalten in der Regel auch neue Licht- und Soundkonzepte. Interaktion, vor allem über digitale Medien, Online und Soziale Netzwerke gehören zu den wichtigen Kommunikationswegen.
Welche digitalen Dienste bieten Sie derzeit schon an, was planen Sie gegebenenfalls?
Die Digitalisierung hat in der Klassik natürlich zuerst die Audioproduktion erfasst, bei der wir seit langem auf höchstem Niveau produzieren und senden (der Klassik haben wir ein eigenes DAB+ Programm gewidmet: MDR Klassik). In der Videoproduktion befinden wir uns seit einiger Zeit in einer spannenden Phase, in der wir unterschiedliche Produktionsarten, die uns die Digitalisierung eröffnet hat, nebeneinander erproben (bis hin zur 360°-Technik) und oftmals auch streamen. Daneben gibt es natürlich kaum einen Bereich, in der die Digitalisierung keine Folgen hätte, von Online-Ticketing (mit entsprechenden Einlasssystemen) bis hin zu Solisten, die aus digitalen Noten spielen.
Derzeit gibt es viele Klassik-Aktivitäten im Internet. Online-Plattformen, wie die Digitale Konzerthalle der Berliner Philharmoniker, Idagio, Klassik.TV oder niusic wollen die Klassikberichterstattung revolutionieren und neue Medien und Klassik zusammenzubringen. Braucht die Klassik neue junge Darstellungsformen?
Auf jeden Fall. Viele Präsentationsformen in der Klassik haben sich seit dem 19. Jahrhundert nicht verändert, während andere Musikrichtungen selbstverständlich völlig neue Wege gegangen sind. Neue Darstellungsformen zu finden, heißt, die Klassik in unsere Zeit zu transportieren, ihre Relevanz für die heutige Zeit wieder deutlich zu machen. Es gibt viele Menschen, die sich potenziell für Klassik interessieren, die dies aufgrund der vielen „Zugangsbarrieren“ jedoch nie erfahren würden, wenn wir sie nicht mit zeitgemäßen Formen erreichen. Wir als Medienhaus können dazu wichtige Beiträge leisten.
Wie bewerten Sie grundsätzlich die Zukunft der Klassik?
Wir haben diese Zukunft selbst in der Hand. Potenziell – wie gesagt – könnte die Musik global mehr Menschen ansprechen als je zuvor in der Geschichte. Dies zu erreichen, liegt aber an uns allen, die wir die Musik präsentieren.