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DSO Berlin hinterfragt klassische Konzertrituale

Warum die Klassik gut daran tut, die Verbreitungswege zu nutzen, die für die nachwachsenden Hörergenerationen selbstverständlich sind

Sebastian König, Orchestermanager des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin Quelle: DSO Berlin/Frank Eidel Sebastian König Orchestermanager Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 14.09.2016
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin gehört zu den besten und erfolgreichsten Orchestern der Republik und gilt in der Szene als besonders innovatives Ensemble. Denn der Orchestermanager des DSO, Sebastian König, weiß, "dass es für uns als Orchester gilt aus unseren Komfortzonen zu kommen und an die Orte zu gehen, wo die Menschen bzw. andere Publikumsschichten angesprochen und für klassische Musik begeistert werden können". Dafür tut das Spitzenorchester jetzt schon eine ganze Menge und künftig noch mehr.







Die Spielzeit 2016/17 steht kurz vor dem Start. Welche musikalischen Highlights in der kommenden Saison wollen Sie besonders hervorheben?
Ein besonderes Highlight ist sicherlich das Konzert anlässlich unseres 70-jährigen Jubiläums unter der Leitung von Kent Nagano am 6. November 2016. Das Programm präsentiert auf der einen Seite Solisten aus den Reihen des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, die Haydns Sinfonia Concertante gestalten werden, und daneben Michael Pletnev, der Schumanns wunderbares Klavierkonzert interpretieren wird. Arnold Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1 macht daraus ein echtes Kent-Nagano-Programm, das Moderne, Romantik und Klassik bereichernd zu verbinden vermag. Darüber hinaus freue ich mich persönlich sehr auf die Konzerte mit unserem zukünftigen Chefdirigenten Robin Ticciati im Januar und Juni 2017. Nicht vergessen möchte ich auch die Berliner Erstaufführung von Samuel Barbers Oper „Vanessa“ unter der Leitung von David Zinman im Oktober 2016.

Welche Ideen und Projekte gibt es an Ihrem Haus für das Konzerthaus der Zukunft?
Natürlich arbeiten wir kontinuierlich daran, neues Publikum zu gewinnen. Dabei gilt es für uns Orchester aus unseren »Komfortzonen« zu kommen und an die Orte zu gehen, wo die Menschen bzw. andere Publikumsschichten angesprochen und für klassische Musik begeistert werden können. Das gilt selbstverständlich auch für Darbietungsformen und Konzertrituale, auch diese hinterfragen wir fortwährend und denken sie immer wieder neu.

Die ganze Stadt ist unser Konzerthaus. Das DSO hat zwar ein festes Stammhaus in der Berliner Philharmonie, wir treten aber mit Ensembles auch an ganz unterschiedlichen Orten Berlins auf, etwa im Heimathafen Neukölln oder der Villa Elisabeth in Mitte. Daneben kooperieren wir mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, indem wir nachts Kammermusik in Museen spielen und diese nächtlichen Konzerte mit exklusiven Führungen durch die Ausstellungen kombinieren.

Zwei Projekte möchte ich herausheben: Das „Casual Concert“ ist eine Konzertform, die wir seit 2007 mit großem Erfolg anbieten. Es ist ein Abend in der Philharmonie mit freier Platzwahl, die Musiker und der Dirigent wie auch das Publikum kommen casual, also „in zivil“, und ein Werk wird vom Dirigenten zunächst sehr persönlich im Konzertsaal dem Publikum anhand von Beispielen aus dem Orchester nahe gebracht, ehe es dann im Gesamten gespielt wird. Fernab von den üblichen Ritualen wird so die Musik anders verständlich, um nicht zusagen greifbar gemacht – das funktioniert hervorragend. Im Anschluss an das Konzert im Saal laden wir das Publikum dazu ein, mit allen Künstlern des Abends im Foyer zu verweilen, wo ein DJ und ein Live-Act auftreten und so ins Berliner Nachtleben überleiten.

Das andere Projekt: In der vergangenen Saison haben wir – sozusagen auf „fremdem Territorium“ – Elektro-Musiker gebeten in der Kombination mit einem klassischen Orchester aufzutreten und hierfür Partituren zu entwickeln, man könnte auch komponieren sagen, die beide Klangwelten vereinen. Zwei ganz eigenständige, neue Werke sind so entstanden – und zwar nicht als bloßes „Recomposing“, also einer Vermischung der Genres, sondern als eine echte Begegnung zwischen den musikalischen Welten auf Augenhöhe.

Welche digitalen Dienste bieten Sie derzeit schon an, was planen Sie gegebenenfalls?
Natürlich nutzen auch wir die technischen Möglichkeiten, welche die digitale Verbreitung unserer Kunst sehr vereinfacht haben. Unsere Konzerte werden in Kooperation mit Deutschlandradio Kultur, Deutschlandfunk und dem Kulturradio vom rbb nicht nur gesendet, sondern zum Nachhören im On-Demand-Stream bereitgestellt. Wir produzieren eigene Videopodcasts zur Kommunikation und zur Vertiefung unseres Angebots.

In Punkto digitaler Eintrittskarte sind wir als Ensemble ohne festen Saal auf unsere Kooperationspartner angewiesen. Natürlich können Karten mittlerweile auch online gekauft und selbst ausgedruckt werden. Die unterschiedlichen Handy-Bildschirmformate stellt an das Handy-Ticket noch ein paar ungelöste Voraussetzungen. Das ist aber auch nur eine Frage der Zeit, bis diese Technik zuverlässig eingesetzt werden kann.

Derzeit gibt es viele Klassik-Aktivitäten im Internet. Braucht die Klassik neue junge Darstellungsformen?
Die Klassik tut gut daran, die Verbreitungswege zu nutzen, die für die nachwachsenden Hörergenerationen selbstverständlich sind. Natürlich betreiben wir auch unseren Youtube-Kanal und sind im Bereich der Social Media von Facebook bis Instagram aktiv.

Interessant wird es aber dann, wenn man die neuen Möglichkeiten der Vernetzung inhaltlich nutzt: Dies haben wir insbesondere durch unsere Remix-Wettbewerbe getan. Hier kam es uns darauf an, Material aus klassischen Werken über Soundcloud mit den kreativen Communities weltweit zu verknüpfen. Herausgekommen sind fantastische neue Tracks, die weit weg vom Original ganz eigenständige Musikstücke sind. Gleichzeitig klingt aus ihnen hier und da noch ein Motiv von Dvořák oder Bruckner hervor: Ein spannendes Projekt, das durch die Möglichkeiten der Online-Plattformen die Ohren für Neues öffnet.

Wie bewerten Sie grundsätzlich die Zukunft der Klassik?
Klassische Musik ist bereichernd und einmalig. Ich glaube fest daran, dass die Musik dieses Genres viel über die Vergangenheit, aber auch das Heute zu sagen vermag. Wenn es uns gelingt, dem Publikum hörbar zu machen, dass wir nicht nur eine reproduzierende Kunst betreiben, sondern unsere Musik immer im Kontext des Jetzt steht, habe ich keine Zukunftssorgen. Diese Qualität wird sich durchsetzen.

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