Meinungsbarometer: Herr Dr. Hege, wie schätzen Sie den erreichten Stand der Digitalisierung des Rundfunks in Berlin und Brandenburg ein?
Dr. Hege: Der Anteil der Fernseh-Digitalhaushalte ist wie auch deutschlandweit weiter gestiegen. Die digitale Terrestrik behauptet in Berlin-Brandenburg ihren überdurchschnittlichen Anteil, die analoge Satellitenverbreitung könnte eigentlich abgeschaltet werden, wenn nicht die Problematik der Versorgung der Kabelkopfstellen gelöst werden müsste. Auch das digitale Kabel kommt voran, doch sind wir bei diesem Übertragungsweg noch weit von einem Umstieg entfernt. Die größere Dynamik kommt vom Breitbandinternet. Damit auch die ländlichen Gebiete einen einfachen Zugang zum schnellen Internet bekommen, stellen wir dafür auch Rundfunkfrequenzen zur Verfügung.
Am 15. Juli hat die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten weitere Mittel für den Digitalen Hörfunk nicht freigegeben. Wie plant die MABB nun, Digital Radio in Berlin und Brandenburg zu behandeln?
Die MABB hat vor Jahren die Einführung des Regelbetriebs für DAB in Millionenhöhe gefördert, das dann aber eingestellt, und auf der Grundlage dieser Erfahrungen den Analog-Digital-Umstieg bei der terrestrischen Fernsehversorgung organisiert. Ich bin immer wieder erstaunt, wie schwer es vielen fällt, nun umgekehrt die Voraussetzungen zu analysieren, unter denen digitales Radio erfolgreich sein kann. Für mich ist die Frage der Übertragungskosten und ihrer Anerkennung durch die KEF sekundär, ausschlaggebend für den Erfolg sind zusätzliche attraktive Programme, die mit zunächst sehr geringen Reichweiten finanziert werden müssten. Private Veranstalter können dies unter den derzeitigen Voraussetzungen
offensichtlich nicht, auch der RBB wird kein neues Digitalprogramm veranstalten, nachdem er die UKW-Verbreitung von Radio multikulti eingestellt hat. Der grundlegende Unterschied zu Großbritannien ist, dass in Deutschland weder die öffentlich-rechtlichen Anstalten noch die privaten bereit sind, zentrale Hörfunkstrukturen zulasten der bisherigen regionalen einzuführen. Aus meiner Sicht würde die öffentliche Förderung eines breitbandigen, flächendeckenden Netzes für mobiles Fernsehen, digitales Radio und andere Nutzungen, die eine Vielzahl von Teilnehmern erreichen, sinnvoll sein. Man hätte das schon vor Jahren aus dem Verkauf der ARD-Sendernetze finanzieren können. Reine Geldverschwendung wäre es allerdings, im Digitalzeitalter ein Netz ausschließlich für das Radio aufzubauen.
Im März sind in Wittstock erstmals in Europa Endnutzer per Mobilfunk über Rundfunkfrequenzen an das breitbandige Internet angeschlossen worden. Gibt es Einflüsse auf Rundfunk oder Drahtlosanwendungen, die bisher nicht behoben werden können?
Beim Einsatz in Wittstock haben wir keine Probleme festgestellt, die sich nicht hätten beheben lassen. Ich vermute deshalb, dass die Versorgung in ländlichen Räumen keine besonderen Schwierigkeiten aufwerfen wird. In Ballungsräumen allerdings und bei der Nutzung eines wesentlich größeren Frequenzspektrums aus dem bisherigen Rundfunkbereich durch die Mobilfunkunternehmen gibt es sehr viel mehr Fragen, die noch der Lösung bedürfen.
Sie haben in Berlin-Brandenburg frühzeitig eine Frequenz zur technischen Erprobung von mobilem Fernsehen über DVB-H zur Verfügung gestellt. Nach dem missglückten Start im vorigen Jahr: Welchen Termin halten Sie für einen Neustart von Mobile TV über DVB-H in Deutschland für realistisch?
Wenn es auch in den nächsten Monaten dabei bleibt, dass sich keine investitionsbereiten Unternehmen zeigen, die Netze für DVB-H oder DAB aufbauen wollen, könnte sich daraus die Chance ergeben, dass wir eingefahrene Wege verlassen und über das bereits von mir angesprochene breitbandige, flächendeckende Multimedianetz nachdenken.