Im Bereich Coaching und Beratung werden immer mehr digitale Tools und KI-Anwendungen eingesetzt. Welche Potenziale sehen Sie darin grundsätzlich?
Als Deutscher Coaching Verband beobachten wir aufmerksam, wie KI und digitale Tools die Coaching-Welt verändern. Wir sehen großes Potenzial, Coaching durch KI zu ergänzen – sei es durch Skalierbarkeit, personalisierte Unterstützung oder kontinuierliche Begleitung außerhalb klassischer Coachingsitzungen. KI kann bei der Vor- und Nachbereitung helfen, z. B. durch Analysen, Reflexionen oder automatisierte Erinnerungen an To Do´s.
Unser Fokus liegt auf Qualität und Professionalität. KI kann menschliche Coaches („natürliche Intelligenz“) nicht ersetzen. Empathie, der persönliche Kontakt und das Verständnis für komplexe Situationen bleiben unersetzlich. Unsere Zertifizierungen stellen sicher, dass Coaches bestens ausgebildet, digital kompetent und in der Lage sind, mit KI verantwortungsvoll zu arbeiten – denn: Auch KI-Avatare machen Fehler ...
Ein Trend scheint der Einsatz von KI-Konversations-Avataren zu werden. Wie sehen Sie das?
KI-Konversations-Avatare können eine sinnvolle Ergänzung sein, z. B. als erste Anlaufstelle oder für wiederkehrende Fragen. Sie sind jederzeit verfügbar und arbeiten kosteneffizient. Auch bei der Selbstreflexion oder Strukturierung von Gedanken können sie unterstützen.
Dennoch bleibt Coaching in seiner neuronalen Komplexität aus authentischer Begegnung, Empathie oder situativer Intuition ein zutiefst menschlicher Prozess. In emotionalen oder kritischen Momenten, wenn Coaching emotional überwältigend ist, da es z.B. mit Scham, Angst oder Trauer über eine verpasste Chance einhergeht, stoßen KI-Avatare an ihre Grenzen. Ein Avatar reicht Dir kein Taschentuch. Die korrekte Einschätzung einer kritischen Situation, das Lesen zwischen den Zeilen, ist eine notwendig Fähigkeit von Coaches. Das „überfordert“ die KI in solchen Fällen schon rein rechentechnisch. Der menschliche Kontakt bleibt essenziell.
Auch zur Evaluation der Ergebnisse wird mehr KI-Einsatz erwartet. Welche Potenziale sehen Sie hier?
Die Nutzung von KI zur Evaluation von Coaching-Prozessen bietet Potenzial, z. B. durch die Analyse von Trends oder Fortschritten. Sprach- und Textanalysen könnten Hinweise auf Denk- und Verhaltensänderungen liefern, wodurch Coaches fundierte Entscheidungen für den weiteren Coaching-Verlauf treffen können.
Wichtig ist jedoch, dass Coaching immer subjektiv bleibt. Die Wahrnehmung der Klienten ist entscheidend und kann nicht allein durch Daten abgebildet werden. Eine Balance zwischen datenbasierten Analysen und menschlicher Interpretation ist unerlässlich. Datenschutz, Ethik und Transparenz müssen dabei im Vordergrund stehen – das Vertrauen der Klienten darf niemals kompromittiert werden.
Es gibt aber auch Befürchtungen, KI könnte in ganzen Bereichen Coaching und Beratung ersetzen. Wie sind Ihre Erwartungen diesbezüglich?
Stellt man diese Frage einer KI, antwortet sie darauf wie folgt: „Unwahrscheinlich – Coaching basiert auf Empathie, Vertrauen, Intuition und dem Verstehen komplexer Dynamiken. Diese Qualitäten sind langfristig außerhalb der Reichweite von KI.“
Auch wir als Verband teilen diese Einschätzung. KI wird menschliches Coaching nicht vollständig ersetzen, denn Authentizität, nonverbale Kommunikation und echte Empathie bleiben unersetzlich. Unsere Aufgabe ist es, Chancen und Risiken abzuwägen und die Sicherheit sowie das Wohl von Coaches und Klienten zu gewährleisten. Unabhängig davon, ob wir die Nutzung von KI im Coaching befürworten oder dagegen sind, KI wird sich weiterentwickeln.
KI sollte als Werkzeug verstanden werden, das Coaching ergänzt – z. B. durch Voranalysen, Datensammlung oder die Unterstützung von Selbstlernprozessen. Der Mensch bleibt jedoch im Zentrum: Coaches, die inspirieren, führen und echten Wandel ermöglichen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit KI ist der Schlüssel, um die ethischen Grundlagen des Coachings zu wahren.