Was halten Sie von der Idee eines Medienpolitischen Schiedsgerichts, das Dr. Fritz Jaeckel (CDU), Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei, ins Gespräch gebracht hat?
Grundsätzlich finde ich jeden Vorschlag, der zu einer raschen Beseitigung von Rechtsstreitigkeiten im Medienbereich beitragen kann gut. Rechts- und Planungssicherheit für und Innovationskraft von Unternehmen sind regelmäßig zwei Seiten einer Medaille. Allerdings bedarf es bei jeder auch organisatorischen und verfahrensrechtlichen Veränderung der geltenden Medienregulierung der Beachtung verfassungs- und europarechtlicher Schranken. Inwieweit die Idee von Staatsminister Jäckel hier an Grenzen stößt, bedürfte einer genauen Analyse. Die Skepsis weiter Teile unserer Gesellschaft gegenüber der Verlagerung von Entscheidungskompetenzen von demokratisch und rechtsstaatlich abgesicherten Einrichtungen auf private Schiedsgerichte wird zudem aktuell in der TTIP-Debatte deutlich. Insofern trägt der Vorschlag möglicherweise nicht dazu bei, die Beratungen über eine Reform der Medienordnung, die zwischen Bund und Ländern aktuell stattfinden, zu einem raschen Abschluss zu bringen – an dem alle Beteiligten ein hohes Interesse haben sollten.
Würde ein solches nationales Schiedsgericht in Konkurrenz mit den Medienanstalten als Regulierungsbehörden stehen?
Ich habe Herrn Staatsminister Jäckel nicht so verstanden, dass er auf eine solche Konkurrenz zielt. Wir haben schon jetzt mit dem Nebeneinander von hoheitlicher Regulierung und Ko-Regulierung im Bereich des Jugendmedienschutzes ein nicht immer einfach miteinander in Deckung zu bringendes System beim Vollzug geltenden Medienrechts. Eine dritte Säule der Aufsicht – neben Landesmedienanstalten und anerkannten Einrichtungen freiwilliger Selbstkontrolle auch noch ein nationales Schiedsgericht – würde sicherlich nicht zu der gewünschten Rechts- und Planungssicherheit beitragen. Sie erscheint auch mit Blick auf die föderale Verortung von Medienrecht problematisch. Der von Herrn Staatsminister Jäckel angesprochene Fall der Tagesschau-App bewegt sich im Übrigen im Bereich der Anwendung von Grenzen für öffentlich-rechtliche Angebote. Für die Einhaltung dieser Grenzen sind die Landesmedienanstalten bislang nicht zuständig.
Das nationale Schiedsgericht will auch dafür sorgen, dass es mehr Tempo bei der Herstellung von Rechtssicherheit gibt. Ist das realistisch und nicht eigentlich Aufgabe der Medienanstalten?
Ich kann nicht erkennen, dass es bei den Landesmedienanstalten an Tempo bei der Anwendung geltenden Rechts fehlt. Die jüngste Zuweisung von DVB-T2-Übertragungskapazitäten hat die rasche Reaktionsfähigkeit der Landesmedienanstalten nochmals unter Beweis gestellt. Für Rechtsstreitigkeiten, die die Herstellung von Rechtssicherheit verzögern, tragen nicht beklagte Landesmedienanstalten, sondern diese beklagende Anbieter Verantwortung. Ich bezweifele, dass in unserem deutschen Rechtsstaat, der zugleich ein Rechtswegestaat ist, rasche Rechtssicherheit in sämtlichen Feldern einer am verfassungsrechtlichen Gebot der Sicherung und Förderung von Meinungsvielfalt ausgerichteten Medienregulierung durch ein nationales Schiedsgericht nachhaltig befördert werden kann. Ich sehe die größten Problemlagen für die verfassungsrechtlich gebotene positive Vielfaltssicherung weniger in der Dauer von Verfahren vor ordentlichen Gerichten als in den Lücken materiellen Rechts.
Mit welchen Ideen geht die LMS in einer sich stark verändernden Medienwelt ins Rennen?
Ich freue mich, dass ich den Prozess der Digitalisierung des Hörfunks auch weiterhin für die Landesmedienanstalten, z.B. im neuen Digitalradio-Board des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, unterstützen kann. Die fachliche Expertise der LMS findet auch im Vorsitz einer Arbeitsgruppe zur Überarbeitung der Plattformsatzung der Landesmedienanstalten Anerkennung. Für die LMS heißt moderne Medienregulierung nicht nur, bestehende Regelungen wie quantitative Werbegrenzen für den Rundfunk oder das Zulassungserfordernis für jedwedes Rundfunkangebot auf den Prüfstand der Vereinbarkeit mit der Medienkonvergenz zu stellen. Moderne Medienregulierung heißt auch, neue, für den Prozess freier Meinungsbildung immer bedeutsamer werdende Akteure wie Anbieter virtueller Plattformen, TV-Gerätehersteller und Intermediäre, namentlich auch Suchmaschinen-Betreiber nicht medienrechtlich unreguliert zu lassen. Auch dies gehört zu einem medienregulatorischen level playing field. Im Mediendschungel auffindbar zu sein – und dieses chancengleich und diskriminierungsfrei – das wird eine zentrale Marke medialer Werthaltigkeit. An den entsprechenden Debatten wird sich die LMS ebenso weiter beteiligen wie am Bemühen um die Förderung privater Qualitätsdangebote sowie am Diskurs um medienethische Grenzen medialer Freiheiten.