Nach dem Entwurf des NetzDG sollen Plattformbetreiber binnen eines Tages „offensichtlich rechtswidrige“ Inhalte entfernen. Was halten Sie von dem Plan?
Prinzipiell bin ich keine Freundin von Strafrechtsverschärfungen. Ich glaube nicht, dass man Hass löschen kann. Wir stehen vor einer gewaltigen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die man nicht allein auf die Betreiber sozialer Netzwerke abwälzen kann. Wir alle sind gefragt, dem überbordenden Hass etwas entgegenzusetzen. Aber auch ich sehe, dass Facebook, Google und Co. konsequenter gegen Hasskommentare vorgehen müssen. Dazu gehört, beleidigende, rassistische, volksverhetzende oder ähnliche Beiträge zur Anzeige zu bringen. Dazu gehört auf der anderen Seite auch, dass die zuständigen Strafverfolgungsbehörden personell in die Lage versetzt werden, solche Anzeigen zu bearbeiten. Bisher scheitert es oft daran. Jetzt wird von den Plattformbetreibern eine proaktive Löschpraxis verlangt. Das halte ich besonders für Grenzfälle für höchst problematisch. Genauso halte ich die damit einhergehende Privatisierung der Rechtsdurchsetzung für höchst problematisch. Nicht mehr Gerichte entscheiden, ob ein Beitrag rechtswidrig ist, sondern die Plattformbetreiber müssen das entscheiden und entsprechend handeln.
Kritiker befürchten, dass durch das Gesetz Inhalte im Zweifel lieber gelöscht werden – und so die Meinungsfreiheit bedroht wird. Was sagen Sie dazu?
Diese Kritik teile ich. Die Gefahr von Overblocking ist sehr groß. Da das Gesetz sehr weit gefasst ist und die Strafandrohung für die Betreiber sehr hoch. Das wird dazu führen, dass Inhalte im Zweifel eher gelöscht werden. Schon jetzt passiert es oft, dass Beiträge ohne ersichtlichen Grund gelöscht oder Nutzer*innen gesperrt werden. Dieses Problem wird sich verschärfen, sollte der Referentenentwurf in dieser Form Gesetz werden.
Gesperrte Inhalte sollen zu Beweiszwecken gespeichert werden. Wie bewerten Sie das?
Es ist nachvollziehbar, dass Inhalte gespeichert werden müssen, denn schließlich muss eine rechtswidrige Handlung auch nachgewiesen werden können. Ich halte es aber für problematisch, dass keine Löschfristen vorgesehen sind.
Das Gesetz soll nicht nur für die klassischen Sozialen Netzwerke gelten, sondern stets, wenn beliebige Inhalte mit anderen Nutzern ausgetauscht, geteilt oder öffentlich zugänglich gemacht werden. Wie können solche Regeln z. B. in Messengerdiensten wie WhatsApp durchgesetzt werden?
Ich halte den Referentenentwurf in dieser Form für sehr schwammig, weil mit seiner sehr weitgefassten Definition sozialer Netzwerke zahlreiche Dienste gemeint sein können. Darunter könnten also neben Messengerdiensten auch Datenspeicherdienste fallen. Für Messengerdienste, die hauptsächlich für private und eben nicht für öffentliche Kommunikation genutzt werden, gilt noch mehr als für Facebook, Twitter und Co., dass es viel effektiver wäre, die Strafverfolgungsbehörden in die Lage zu versetzen, um rechtswidrige Inhalte auf Anzeige zu verfolgen.