Nach dem Entwurf des NetzDG sollen Plattformbetreiber binnen eines Tages „offensichtlich rechtswidrige“ Inhalte entfernen. Was halten Sie von dem Plan?
Ziel des Gesetzentwurfs ist vor allem, soziale Netzwerke dazu zu bringen, ernsthaft und sachgerecht mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte umzugehen. Plattformbetreiber dürfen sich da nicht aus der Verantwortung stehlen, sondern sie müssen dafür sorgen, dass rechtswidrige Inhalte, die ihnen gemeldet wurden, von ihren Seiten verschwinden. Dazu sind Unternehmen wie Facebook und Twitter bereits heute nach deutschem und nach europäischem Recht uneingeschränkt verpflichtet. Der Umgang mit Beschwerden und das Entfernen rechtswidriger Inhalte ist bisher aber völlig unbefriedigend. Dies wurde in einer Reihe von Untersuchungen bestätigt.
CDU und CSU sind daher schon seit längerem der Auffassung, dass die Zeit der Runden Tische vorbei ist und der Gesetzgeber gefordert ist. Wir begrüßen die wesentlichen Eckpfeiler des Gesetzentwurfs daher nachdrücklich. Bürger, die mit übelsten Beleidigungen, verleumderischen Unterstellungen oder Bedrohungen konfrontiert werden, müssen auch praktisch wirksame Möglichkeiten haben, sich dagegen zu wehren. Es geht dabei nicht zuletzt um das Vertrauen in den Rechtsstaat: Es muss klar sein, dass unsere Rechtsordnung auch im Internet gilt und durchgesetzt wird. Wir brauchen eine neue Kultur der Verantwortlichkeit im Netz. Dabei geht es nicht um die Abschaffung der Anonymität oder Pseudonymität im Internet. Dort aber, wo die weiten Grenzen unserer Meinungsfreiheit überschritten werden, muss auch die Möglichkeit bestehen, die persönliche Verantwortung für solche Beiträge aufzuklären und durchzusetzen. Ein wichtiger Schritt dazu ist die im Entwurf nun vorgesehene Rechtsgrundlage für Plattformbetreiber, in solchen Fällen die Bestandsdaten der Urheber an die Betroffene herauszugeben.
Der Gesetzentwurf von Minister Maas schreibt den Plattformbetreibern im Wesentlichen vor, ein funktionierendes Beschwerdewesen einzurichten. Sie müssen dabei dafür Sorge tragen, dass Inhalte, die auf den ersten Blick rechtswidrig sind, innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde gelöscht werden. Inhalte, bei denen die Rechtswidrigkeit schwerer festzustellen ist, müssen binnen sieben Tagen entfernt werden. Wir halten differenzierende Zielvorgaben für das Löschen der Inhalte für richtig. Auch die zugrundeliegende EU-Richtlinie gibt keine einheitliche, starre Frist vor. Daher muss jetzt zunächst die EU-Kommission beurteilen, ob die gewählten Fristen sachgerecht und angemessen sind.
Kritiker befürchten, dass durch das Gesetz Inhalte im Zweifel lieber gelöscht werden – und so die Meinungsfreiheit bedroht wird. Was sagen Sie dazu?
Der freie Austausch von Meinungen – kritisch, zugespitzt und auch deftig – ist ein Wesensmerkmal der demokratischen Debatte und gehört zu den unverrückbaren Werten einer offenen, freiheitlichen Gesellschaft. Daran soll sich mit dem Gesetzentwurf nicht das Geringste ändern. Lediglich rechtswidrige Inhalte müssen gelöscht werden. Bisher passiert das Gegenteil: Selbst grob rechtswidrige Inhalte stehen teilweise tage- und wochenlang im Netz und werden nicht gelöscht. Ich erinnere nur an den Kindermörder von Herne, der sich auf einer Plattform mit seinen Taten gebrüstet und Fotos von dem getöteten neunjährigen Jungen gepostet hatte.
Der Gesetzentwurf verlangt den Plattformbetreibern in der Tat ab, dass sie qualifizierte Mitarbeiter einstellen, die sauber und nach transparenten Kriterien prüfen, ob ein Posting rechtswidrig ist oder nicht. Das halte ich für vertretbar. Denn wer zum Teil riesige Gewinne mit seinen Plattformen im Internet erwirtschaftet, muss im Gegenzug auch ein Mindestmaß an Verantwortung übernehmen. Dabei dürfte ein eigenes Interesse der Plattformen an einer kontroversen Diskussion einer allzu rigiden Löschpraxis entgegenstehen. Dies wird aber ein Aspekt sein, der in den Verhandlungen – gerade auch aus dem Blickwinkel der von der Löschung Betroffenen – noch näher geprüft werden muss.
Gesperrte Inhalte sollen zu Beweiszwecken gespeichert werden. Wie bewerten Sie das?
Hier sind wir wieder bei dem Grundsatz, dass unsere Gesetze auch in der digitalen Welt durchgesetzt werden müssen. Dazu bedarf es der Sicherung von Beweismaterial. Rechtswidrige Inhalte sollen für eine Dauer von 10 Wochen gesichert werden, damit die Strafverfolgungsbehörden ihre Ermittlungen überhaupt zielführend durchführen können. Damit wird eine vernünftige Balance zwischen Datenschutz und Rechtsdurchsetzung gehalten.
Das Gesetz soll nicht nur für die klassischen Sozialen Netzwerke gelten, sondern stets, wenn beliebige Inhalte mit anderen Nutzern ausgetauscht, geteilt oder öffentlich zugänglich gemacht werden. Wie können solche Regeln z. B. in Messengerdiensten wie WhatsApp durchgesetzt werden?
Die Rechtsdurchsetzung im Internet muss unabhängig von der Art der Plattform gewährleistet werden. Denn Inhalte werden häufig quer über Plattformen geteilt – ein Screenshot genügt meistens. Darunter sind auch rechtswidrige Inhalte, wie das Beispiel der über WhatsApp verbreitete Falschmeldung eines Terroraktes in einem Berliner Einkaufszentrum im letzten Dezember zeigt. Es ist daher nur folgerichtig, auch Messengerdienste in die Pflicht zu nehmen. Auch diese trifft schon nach geltendem Recht die Pflicht, rechtswidrige Inhalte zu löschen, sobald sie ihnen gemeldet wurden.