Meinungsbarometer: Herr Professor Steinmetz, was soll mit einem deutschlandweiten Hochschulfernsehen erreicht werden?
Professor Steinmetz: Erreicht werden soll die Bündelung bisher existierender und neu hinzukommender Hochschulfernseh-Programm-"Inseln" zu einem kohärenten Gesamtprogramm, um in der Flut der Fernseh-Programme ein unverwechselbares, wiedererkennbares Profil zu entwickeln. Es geht darum, die neue Technologie zu nutzen, die das zukünftige Fernsehen prägen wird: IP-TV (auch Web-TV). Es handelt sich um eine medienpolitische Aufgabe: nämlich in der Frühphase dieser Entwicklung dabei zu sein und einen Programmplatz auszufüllen. Aber es ist auch eine hochschulpolitische Aufgabe, die in den deutschen Hochschulen täglich anfallenden Forschungsergebnisse und Themen, die Persönlichkeiten und Befindlichkeiten für ein breiteres Publikum darzustellen: Mit dem Deutschen Hochschul-Fernsehen raus aus dem Elfenbeinturm.
Wo sehen Sie den Bedarf und wer ist außer Studenten noch Zielgruppe?
Da wäre zum einen die Etablierung eines Kultur- und Bildungs-Spartenprogramms, weil es das so weder auf öffentlich-rechtlichen noch auf privat-kommerziellen Kanälen gibt. Eine Konkurrenz zu ARTE oder 3sat wird es aber nicht werden. Zielgruppe sind neben Studenten vor allem Bildungs- und Kulturinteressierte; man könnte sagen: „Fernsehen für Menschen mit Grips.“ Aber auch auf der Anbieterseite gibt es Interessen, nämlich: Studierende in der audiovisuellen Vermittlung anspruchsvollerer Inhalte per TV auszubilden; Hochschulen eine gewichtigere Stimme im kakofonischen Medien- Konzert zu geben; hochschulpolitische Themen zu vermitteln und Hochschulen die Möglichkeit der Selbstdarstellung zu geben. Schließlich sehe ich das Interesse von Programmfirmen, die Programmelemente übernehmen oder beisteuern und vor allem kreativen Nachwuchs finden wollen.
Wie stellen Sie sich das neue Hochschulfernsehen inhaltlich vor?
In drei Phasen soll zusammenwachsen, was zusammen gehört: Am Anfang steht die Vernetzung der existierenden TV-Inseln zu einem Programm, wobei die redaktionelle Koordinierung durch eine neu zu schaffende Programmdirektion nach ARD-Muster erfolgt. Die einzelnen Hochschulen sind dabei mit den föderalen Rundfunkanstalten vergleichbar. Dann fehlt noch die Steuerung, Programmplanung und Redaktion der Beiträge durch die Programmdirektion, die wir gerne in Leipzig etablieren wollen. Dafür sind organisatorische, rechtliche und technische Strukturen zu schaffen. Schließlich können ausgewählte Programmelemente dann auf öffentlich-rechtlichen oder privat-kommerziellen Fernsehprogrammen in Hochschulfenstern laufen, so wie das bereits in Portugal und skandinavischen Ländern erfolgreich praktiziert wird.
Wie wollen Sie die neuen digitalen Verbreitungswege nutzen?
Hochschulfernsehen soll als IP-TV auf einer eigenen oder einer bereits existierenden Plattform verbreitet werden. Und das sowohl synchron als klassisches lineares Fernsehprogramm als auch non-linear als Abruf-Programm. Auch soll es lineare oder non-lineare Ausspielmöglichkeiten in existierende Netze geben, zum Beispiel in lokale bzw. regionale DVB-T-Netze, Kabelnetze oder als Handy-TV. Genutzt werden soll das sehr schnelle Deutsche Forschungsnetz (DFN), das Hochschulen in Deutschland miteinander verbindet und das Schnittstellen zum Internet besitzt. In Leipzig existiert neben Aachen der deutschlandweit größte DFN-Knoten.
Wie soll Hochschulfernsehen finanziert werden?
Die existierenden bzw. die sich neu anschliessenden Hochschulfernseh-Inseln finanzieren ihre Beiträge autonom und haben einen Mitsprache- Anteil. Die Programmdirektion wird zum größten Teil von der Hochschule finanziert, an der sie angesiedelt ist. Darüber hinaus wird die Finanzierung über Sponsorengelder und Lizenzeinnahmen durch Programm-Verkäufe laufen.
Wie sieht der Zeitplan für ein deutschlandweites Hochschul-TV aus?
Start wird voraussichtlich Ende 2010 sein.