In der ARD wird über eine gemeinsame Online-Plattform mit Privaten Rundfunkanbieter und weiteren Institutionen wie Archiven und Museen nachgedacht. Wie stehen Sie ganz prinzipiell zu dieser Idee?
Mit dem Vorschlag wird der richtige Weg eingeschlagen, die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die digitale Welt weiterzuentwickeln. Im Kern sollte die enthalten, die Wissensbestände und das Material, das mit öffentlicher Finanzierung zustande gekommen ist, einer breiten Öffentlichkeit digital zugänglich und nutzbar zu machen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass nicht nur - neben allen öffentlich-rechtlichen Anstalten - Archive und Museen, sondern auch andere öffentliche Bildungs- und Kulturinstitutionen, Hochschulen und zivilgesellschaftliche Organisationen vertreten sind. Und auch der aktive Teil des Publikums, der sich medial ausdrücken will, gehört auf eine solche große Plattform. Da die Kernidee des öffentlich-rechtlichen Rubdfunks ist, zur gesellschaftlichen Kommunikation beizutragen, mit einer öffentlichen Finanzierung, unter öffentlicher Kontrolle und mit einem öffentlichen Auftrag - und dies möglichst fern von Einflüssen des Marktes und des Staates -, halte ich nichts davon, kommerzielle, also gewinnorientierte Unternehmen in eine solche Plattform einzubeziehen. Das würde der Idee einer gemeinwohlorientierten Plattform zuwiderlaufen.
Darüberhinaus gilt es auch, mittelfristig die europäische Dimension mitzudenken, denn das Internet ist nicht in kleine national begrenzte Räume aufzuteilen. Wir arbeiten mit einer Gruppe von Medienwissenschaftler und -praktikern daran, das Konzept eines European Public Open Spaces EPOS zu entwickeln, das den ganzen europäischen Reichtum audiovisueller und textbasierter Inhalte vereint. Das ist sicher Zukunftsmusik, aber an die Klänge sollten wir uns schon einmal gewöhnen.
Wenn Öffentlich-Rechtliche, Private und staatliche Institutionen zusammenarbeiten – wer könnte und sollte in so einer Konstellation über die Inhalte und deren Platzierung entscheiden?
Hier gilt es neue kollaborative Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln. So wie das Online-Angebot für Jugendliche funk der öffentlich-rechtlichen Anstalten eine Redaktion hervorgebracht hat, die aus mehreren Anstalten hervorgegangen ist, so lässt sich auch eine neue Kooperation denken, die Professionalität mit Innovation und Expertise mit Laienkompetenz verbindet, und flexibel genug ist, viel Lernerfahrung auf dem Weg zum Aufbau einer solchen Plattform zuzulassen.
Welche Bezahlmodelle könnten Sie sich für welche Inhalte vorstellen?
Da ein Public Open Space Inhalte zugänglich macht, für die der Nutzer ohnehin schon bezahlt hat (durch den Rundfunkbeitrag, durch den Museumseintritt, letztlich durch Steuern), sollte eine solche Plattform grundsätzlich kostenfrei zugänglich sein und nur in Ausnahmefällen und für besondere Zwecke Entgelte erheben.
Mit einer solchen Plattform soll eine Alternative zu Netzgiganten wie Facebook oder der Google-Plattform YouTube geschaffen werden. Lässt sich der technologische Rückstand gegenüber den US-Plattformen überhaupt noch aufholen?
Dass der Vorsprung der US-Plattformen für die Nutzer teuer erkauft wurde, zeigte sich ja gerade jüngst mit dem Facebook-Datenskandal. Da die Zielsetzung einer öffentlichen Plattform von Inhalten aus öffentlich-rechtlichen Sendern, Museen, Archiven, Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen ja gerade nicht die Generierung von Daten zu werblichen Zwecken ist, ist eine Aufholjagd in dieser Zielsetzung auch gar nicht erwünscht. Mit der Optimierung der Mediatheken aus den letzten Jahren liegt genügend Potenzial zur Weiterentwicklung zu einem public open space vor.
Wenn ein solcher, deutscher Netzriese entsteht – wer sollte diesen kontrollieren?
Wir haben aus dem Bereich der public service media, also der öffentlich finanzierten gemeinwohlorientierten Medien in Europa reichlich Erfahrungen - gute wie schlechtere - mit der öffentlichen Kontrolle von Medienangeboten. Diese Erfahrungen gilt es auszuwerten und weiterzuentwickeln. In jedem Fall sollte eine Vielfalt an zivilgesellschaftlichen Akteuren, die konsensuell zusammenarbeiten müssen und die die öffentliche Kontrolle ausüben, beteiligt sein. Die deutschen Rundfunkräte sind dafür durchaus ein Modell.