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Dolmetscher als Mediatoren

Was Computer bei Übersetzen besser können - und was nicht

Prof. Michel Décombe, Studiengangsleiter MA Internationale Medienkommunikation, SDI München Quelle: SDI München Prof. Michel Décombe Studiengangsleiter MA Internationale Medienkommunikation SDI München 28.09.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Gute Texte lassen sich besser von einer Sprache in eine andere übertragen, schlechte Texte nicht", erklärt Prof. Michel Décombe vom Sprachen & Dolmetscher Institut München (SDI München). Professionelle Übersetzerinnen nutzen digitale Technik, doch diese stößt an Grenzen.







Maschinelle Übersetzungen werden immer besser – welche Zukunft haben klassische, manuelle Übersetzungen noch?
Die klassische, manuelle Übersetzung gibt es schon lange nicht mehr. Außer in der Literatur, vielleicht. Professionelle Übersetzerinnen (Übersetzer sind oft Frauen) benutzen „translation memories“ mit Unterstützung von Terminologiedatenbanken und maschinellen Übersetzungssytemen.

Lassen sich maschinelle Übersetzungen auch bei komplexeren Textes wie etwa literarischen oder wissenschaftlichen vorstellen?
Eine Regel heißt: Scheiß rein, Scheiß raus. Fehlerhafte Texte verursachen Übersetzungsfehler. So zum Beispiel sind die E-Mail-Texte von einer Maschine oft nicht übersetzbar, weil diese Texte zu viel Fehler enthalten oder auch unbekannte Abkürzungen oder unsichere Terminologie usw. Hinzu kommt, dass das Lesen vieler maschinell übersetzter Texten mühsam und anstrengend ist. Irgendwann verliert man die Geduld und auch das Vertrauen. Literarische Texte lassen sich im Prinzip relativ gut maschinell übersetzen. Der übersetzte Text wirkt allerdings flach, man spürt den Ausgangstext durch. So geht der künstliche Wert des Ausgangstextes verloren. Maschinelle Übersetzung für Literatur hat keinen Zweck. Wissenschaftliche Texte lassen sich je nach Fachgebiet problemlos (Technik, Chemie) oder überhaupt nicht übersetzen (Jura, Sozialwissenschaften). Bei letzteren Textsorten sind die Zahl und die Wichtigkeit der in den „Zwischenzeilen“ enthaltenen Informationen zu groß.

Juristisch gesehen ist eine Übersetzung ist ein Produkt (im Gegensatz zu einer Dolmetschleistung, die eine Dienstleistung ist). Daher greift die allgemeine Produkthaftung. Bei maschinell übersetzten Texten stellt sich die Frage: Wer haftet letztendlich?

Neue Technik übersetzt auch in Echtzeit –welche Auswirkungen sehen Sie künftig auf die Dolmetscher zukommen?
Richtig in Echzeit funktioniert noch kein System, weil die Systeme nicht antizipieren können, was menschliche Dolmetscherinnen (auch oft Frauen) ständig machen. Besonders Texte aus dem Deutschen sind hier problematisch: „… und Boris Becker konnte nach einem spannenden Spiel ….. BLA BLA usw …gewinnen oder verlieren?“ Da kommt das Weltwissen des Sprachmittlers zu tragen, damit er dolmetscht, bevor der Redner die Lösung gibt. Das kann der Rechner noch nicht. Hinzu kommt die Monotonie der künstlichen Stimme. Versuchen Sie sieben Stunden lang Ihrem Navi aufmerksam zuzuhören. Beim Dolmetschen spielt das Vertrauen den Dolmetschern gegenüber eine sehr große Rolle. So ist die Auswirkung der Technik eher hinderlich. Nicht selten korrigieren sich die Dolmetscher selbstständig, wenn sie merken, dass sie einen Fehler gemacht haben. Das kann ein Rechner nicht. Die Auswirkung der Digitalisierung während des Einsatzes ist gering, es sei denn die Leistung wird per Skype o.ä. erbracht. Die Verfügbarkeit der Terminologie in der Kabine ist die einzige positive Auswirkung.

Welche Chancen könnte die Digitalisierung den klassischen Übersetzern oder Dolmetschern bei ihrer Arbeit im Gegenzug bieten?
Für Übersetzer. Ganz einfach: Qualität. Gute Texte lassen sich besser von einer Sprache in eine andere übertragen, schlechte Texte nicht. Auch das übersetzungsgerechte Redigieren kann nicht von Laien übernommen werden. Auch quantitativ lässt sich was machen, zum Beispiel durch das topic-orientiertes Schreiben bzw. selektives Übersetzen. Diese Techniken können nur von geschulten text- und sprachenaffinen Mitarbeitern erledigen. Eine besondere Rolle spielt die Erarbeitung der Terminologie. Diese ist ein mühsames, arbeitsintensives und anspruchsvolles Geschäft, das sprachliches, kommunikatives, fachliches und technisches Können im hohen Maße erfordert. Hinzu kommen Aufgaben aus dem Projektmanagement: Für die Übersetzung von zwei DINA4 Seiten in eine Sprache ist es einfach. Bei zwei Millionen Seiten in 30 Sprachen sieht es ganz anders aus!

Dolmetscherinnen schlüpfen auch oft in die Rolle von Mediatoren insbesondere dann, wenn kulturbedingte Missverständnisse bzw. Unklarheiten drohen. Häufig kommt es dazu, wenn die Gesprächspartner aus Unkenntnis der verschiedenen juristischen Rahmenbedingungen nebeneinanderreden, ohne es zu merken. Der rasche Zugang zu verlässlichen Quellen ist hier entscheidend.

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