Gamification soll Arbeiten, Weiterbilden und Studieren durch spielerische Elemente schöner und effizienter machen – für welche Prozesse ist Gamification besonders geeignet?
Die Frage ist interessant. Wenn Gamification hier die Implementierung von Spielelementen in Nichtspielkontexte meint, stellt sich jedoch schon zuvor eine andere Frage.
Welche spielerischen Elemente finden wir bereits jetzt schon bei der Arbeit, in der Weiterbildung und beim Studieren? Anthropologisch gesehen bildet das Spiel die grundlegende Substanz und gestaltende Kraft für unsere Kultur. Fast alle Bereiche unseres persönlichen Miteinanders, der Kunst, Technik, Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft sind von spielerischen Elementen durchdrungen oder zumindest zuvor spielerisch erprobt worden. Das bedeutet nicht, dass die oben genannten Bereiche „alle nur Spiel“ sind oder direkt als Spiel identifizierbar sind. Aber diese spielerischen Elemente zu erkennen, zu verfeinern und die schon immer vorhandenen Spielräume dem 21. Jahrhundert mit seinen digitalen Strukturen anzupassen, ist eine interessante Aufgabe. Gamification kann hier unserer Meinung nach in vielen Prozessen unterstützend wirken.
Highscores, Fortschrittsbalken und virtuelle Belohnungen – welche Mechanismen wirken wo besonders gut?
Highscores, Fortschrittsbalken und virtuelle Belohnungen stellen erst einmal rein extrinsische Anreize dar und lassen, für sich gesehen, einen wesentlichen Aspekt des Spiels außen vor, nämlich die intrinsische Motivation des Spielenden, die aus sich selbst entsteht. Extrinsische Anreize können gute zwar Türöffner sein, können sich aber genauso schnell abnutzen. Viele von uns erinnern sich noch an den Spruch „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir!“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatten sich die einfachen Mechanismen wie Feedback über Noten oder der angestrebte „motivierende“ Aspekt von Schule schon etwas abgenutzt.
Um sich auf solche Mechanismen in Schule und Beruf längerfristig einzulassen oder sich um die in Aussicht gestellten Belohnungen zu bemühen, bedarf es zusätzlich einer geförderten intrinsischen Motivation. Die letztliche Befriedigung liegt bei dieser Form der Motivation in der Tätigkeit selbst und dem guten Gefühl, selbstgesteuert mit der erreichten Leistung umzugehen.
Wenn beide Motive systematisch ineinandergreifen, dann wirken auch die extrinsischen Mechanismen besonders gut.
Welche Anforderung stellt Gamification an den Nutzer?
Es sind weniger alleine die Anforderungen an die Nutzenden, als Anforderungen an die zugestandenen Spielräume und die Akzeptanz, dass hinter der Faszination für das Spiel ein tieferer Sinn liegt. Erst dann können Freiwilligkeit, Fairness, Chancengleichheit, die Übernahme von Rollen und natürlich auch die Regeln im Spiel ihr ganzes Potenzial entfalten. Gamification fordert von den Nutzenden deshalb die Offenheit, sich immer wieder auf neue Situationen einzustellen.
Welche Gefahren können von Gamification hinsichtlich des Themas Spielsucht ausgehen?
Der Psychoanalytiker und Kinderarzt D.W. Winnicott beschrieb das Spiel einmal wie folgt: „Das Gegenteil von Spiel ist nicht Ernst, sondern Realität. Das Spiel bewirkt eine Verflüssigung der bedrohlich gewordenen oder bedrohlich erlebten Realität und führt zurück zu nun spielerisch gestalteter Potenzialität.“ Kluge Gamification darf keine persuasive Methode sein, sondern sollte uns die spielerischen Elemente der Realität aufzeigen, dabei unserem natürlichen Spieltrieb Raum geben und Entwicklungsprozesse einleiten. Das hat dann auch weniger mit Sucht als mit Bewältigung der Realität zu tun.
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