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Chartmusiker: Sampling ist eine eigenständige Kunstform

Warum feste Gebühren und Diskussionen darüber, ob Sampeln unkreativer ist als selbst zu spielen, keinen Sinn machen

Michael Ende, Referent im Verband für christliche Popularmusik in Bayern e.V., Musiker, Produzent und Lehrbeauftragter für elektronische Musik an der Hochschule Ansbach Quelle: Verband für christliche Popularmusik Michael Ende Referent Verband für christliche Popularmusik 23.06.2016
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Für den Chartmusiker, Produzenten und Lehrbeauftragten, Michael Ende, ist Sampling eine eigenständige Kunstform, die untrennbar mit der Popmusik verbunden ist. Warum sich der Künstler gegen eine feste Gebühr je Sample wendet und warum unter Umständen die Zustimmung des Urhebers notwendig ist, verrät Michael Ende im Interview auf Meinungsbarometer.info.







Das Bundesverfassungsgericht hat die Verwendung eines Samples von einem älteren Titel in einem neuen Popsong für rechtens erklärt. Wie bewerten Sie das Urteil?
Die Entscheidung ist grundsätzlich richtig. Sampling hat eine lange Tradition an deren Anfang die Musique Concrete in den frühen Fünfziger Jahren, aber auch Musikinstrumente wie das Mellotron, mit dem bereits die Beatles gearbeitet haben, und der Fairlight Synthesizer aus dem Jahr 1979, der als erster Sampler gilt, stehen. Sampling ist eine eigenständige Kunstform, die untrennbar mit der Popmusik verbunden ist.
Die öffentliche Diskussion ist stark von musikalischen Präferenzen Einzelner geprägt. Das erinnert mich an die unsägliche Diskussion ob Klassik hochwertiger sei als Pop. Nur diskutiert man jetzt innerhalb der Popmusik, ob Sampeln unkreativer ist als selbst zu spielen. Letztlich zählt nur, zu welcher Leistung ein Künstler in dem von ihm ausgesuchten Setting fähig ist. Wer nicht glaubt, dass Sampling Kunst sein kann, sollte sich z. B. einmal mit dem Album „Since I Left You“ der australischen Band „The Avalanches“ beschäftigen. 3.500 Samples von Vinyl wurden hier zu einem einzigartigen Werk verwoben.

Der behandelte Fall betrifft ein sehr kurzes Sample. Welche Grenzen wird die Verwendung fremder Tonaufnahmen für neue Werke künftig haben? (Bzw.: Welche Grenzen sollte sie sinnvollerweise haben?)
Zwei Sekunden waren es im Streit zwischen Kraftwerk und Pelham. Diese Zeitspanne reicht z. B. aus um Beethovens Fünfte so zu zitieren, dass jeder Hörer das Original erkennt.
Grenzen festlegen ist ohnehin der falsche Ansatz, wird dem musikalischen Phänomen nicht gerecht und schränkt die künstlerische Freiheit ein. Wichtig wäre festzusetzen, in welchen Fällen eine Zustimmung des Urhebers notwendig ist. Diese ist meine Erachtens z. B. dann unabdingbar, wenn das gesampelte Original eindeutig einem Musikstück zugeordnet werden kann oder das verwendete Sample im Kontext des neuen Werkes zum Kernmotiv wird.

Die Richter weisen in ihrem Urteil darauf hin, dass der Gesetzgeber eine Bezahlpflicht für Samples einführen könnte. Wie stehen Sie dazu?
Entscheidend sind der Marktwert des verwendeten Samples (Bekanntheit) und seine Funktion im neuen musikalischen Kontext. Fair wäre eine Beteiligung des Urhebers an den Tantiemen, deren Höhe jeweils ausgehandelt werden muss. Eine feste Gebühr je Sample ist dagegen aus vielen Gründen absurd und würde immer eine Partei finanziell benachteiligen.

In der Abwägung hat das Verfassungsgericht die Kunstfreiheit über das Eigentumsrecht der ursprünglichen Urheber gestellt. Was bedeutet das für andere Bereiche der Kultur und Kunst?
Die Musikindustrie hat die Digitalisierung weitgehend verschlafen und muss nun mit den Folgen kämpfen. Ich hoffe, andere Kunstgattungen machen nicht den gleichen Fehler. Es gilt weit in die Zukunft zu blicken. Welche Folgen hat z. B. der 3D Druck für die bildende Kunst in 5 Jahren, welche in 20 Jahren?

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