Bundesverfassungsgericht hat die Verwendung eines Samples von einem älteren Titel in einem neuen Popsong für rechtens erklärt. Wie bewerten Sie das Urteil?
Das Urteil ist gut begründet und im Ergebnis wenig überraschend. Seine Auswirkungen auf den Umgang mit Samples in der Musikbranche werden äußerst gering sein.
Der behandelte Fall betrifft ein sehr kurzes Sample. Welche Grenzen wird die Verwendung fremder Tonaufnahmen für neue Werke künftig haben? (Bzw.: Welche Grenzen sollte sie sinnvollerweise haben?)
Auch künftig bleibt es wie bisher eine Frage des Einzelfalls. Das betrifft auch kurze Samples, denn bei der Entscheidung, ob originäre Tonträgerherstellerrechte bei der Verwendung von Samples betroffen sind, muss grundsätzlich eine Gesamtabwägung vorgenommen werden. Eine simple Unterscheidung nach dem Kriterium der Länge scheidet daher aus. Einer einfachen Lösung wie der vom Bundesgerichtshof, die auf das Kriterium der Nachspielbarkeit abstellte, hat das Bundesverfassungsgericht gerade eine Absage erteilt.
Die Richter weisen in ihrem Urteil darauf hinwiesen, dass der Gesetzgeber eine Bezahlpflicht für Samples einführen könnte. Wie stehen Sie dazu?
Wer Samples in neuen Produktionen verwenden möchte, der muss die Verwendung in der Regel lizenzieren und selbstverständlich die Nutzung vergüten. Im Wesentlichen hat sich daran nichts geändert. Der Fingerzeig des Bundesverfassungsgerichts geht vielmehr dahin, ob es nicht sinnvoller wäre, generell Sampling nicht weiter von der Zustimmung des Tonträgerherstellers abhängig zu machen, dafür im Gegenzug grundsätzlich einen Vergütungsanspruch für jede Art von Samples einzuführen. Damit wäre das Problem, in jedem Einzelfall abwägen zu müssen, elegant gelöst. In der Konsequenz würde man den Vergütungsanspruch durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lassen. Dieses Modell ist nicht neu. Wer in Fernsehsendungen Hintergrundmusik verwenden möchte, dem ist das grundsätzlich gestattet und er braucht den Tonträgerhersteller nicht um Erlaubnis fragen. Diese Rechte werden gegen Vergütung von der Verwertungsgesellschaft GVL vergeben. Eine der umstrittensten Fragen im Zusammenhang mit Urheberrecht ist, ob es zukünftig mehr in Richtung kollektiver Wahrnehmung von Rechten über Verwertungsgesellschaften oder aber in Richtung individueller Rechtewahrnehmung durch die Rechteinhaber selbst gehen soll.
In der Abwägung hat das Verfassungsgericht die Kunstfreiheit über das Eigentumsrecht der ursprünglichen Urheber gestellt. Was bedeutet das für andere Bereiche der Kultur und Kunst?
Das Bundesverfassungsgericht hat die Kunstfreiheit in seiner Abwägung nicht über das Eigentumsrecht gestellt. Es hat lediglich festgestellt, dass der Bundesgerichtshof die erforderliche Interessenabwägung zwischen den beiden Rechten unzureichend vorgenommen hat, zulasten der Kunstfreiheit. Es ist zu erwarten, dass der Bundesgerichtshof einige Vorfragen in dem Zusammenhang dem Europäischen Gerichtshof vorlegen wird und nachdem diese geklärt sind, muss er nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs die Sache ein drittes Mal entscheiden. Bis zu dieser Entscheidung werden viele weitere Jahre ins Land ziehen.