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Kolumne

Auch beim Streaming auf Selbstregulierung setzen

Prof. Dr. Jo Groebel, Direktor des Deutschen Digital Instituts Berlin

Prof. Dr. Jo Groebel, Direktor des Deutschen Digital Instituts Berlin Quelle: Deutsches Digital Institut Berlin Alexander Hiller Redakteur Meinungsbarometer.info 31.10.2008

Der Ausgangspunkt für die geplante Internet- Regulierung der Landesmedienanstalten dürfte wohl die Definition des Streaming als Rundfunk sein. Doch auch hier haben in den traditionellen Bereichen sehr häufig die Regulierungsbehörden ihre Grenzen bewiesen. Wir haben in der BRD eine hochkomplexe Regulierungssituation. Sehr häufig verschränken sich die Regulierungsebenen stark ineinander. Zum einen gibt es die nationale Ebene, daneben die Länderebene, vielfältige Zuständigkeiten, zum Beispiel für Telekommunikation, Rundfunk und Kartelle. Das, was man nach dem Krieg verhindern wollte, dass keine Meinungsmonopole mehr entstehen sollten, hat sich verselbständigt. Das an und für sich Positive hat sich häufig ins Negative verkehrt. So werden durch manche Maßnahmen Neuinvestitionen regelrecht verhindert, wie beispielsweise die lange angekündigte Übernahme von Pro7/ Sat.1 durch Springer.

Auf den ersten Blick scheinen die Streaming-Maßnahmen mit dem Fall nichts zu tun zu haben. Doch auch hier können wir wieder beobachten, dass vermutlich nur gut gemeinte Maßnahmen sich durch Regulierung ins Gegenteil verkehren könnten. Viele der Streaming Angebote sind eine Grass-Roots- Angelegenheit mit privatem Hintergrund. Der Charme liegt dabei in der Entfaltung von Kreativität und auch im Experiment, selbst wenn ab und zu Grenzen überschritten werden. Gerade für den Nutzer besteht die Chance darin, dass nicht von vornherein schon wieder Regulierungskriterien zu erfüllen sind. Immer stärkere Regulierung führt nicht automatisch zur Verbesserung der Inhalte. Außerdem: Wie sollte die Praxis aussehen? Nehmen wir den nicht unwahrscheinlichen Fall eines Konzert-Streamings, zum Beispiel von „Metallica“. Sollten beim Live-Stream künftig brave Behördenvertreter anstößige Texte und Gesten kontrollieren und zu verhindern versuchen, gar durch Vorabvorlage der geplanten Stücke und Bewegungen? Sicher ist das Beispiel polemisch zugespitzt, doch berührt es sehr wohl Maßnahmen, die ja auch effektiv sein sollten und nicht nur reine Papiergebote. Vor allem ist es nicht so, dass mit dem Streaming schädlichen Internetangeboten Tür und Tor offen stehen würden, wenn nicht reguliert würde. Neben den strafrechtlichen und weiteren bestehenden juristischen Maßnahmen gibt es auch eine Selbstregulierung im Internet. Mehr als 90 Prozent der Nutzer handeln verantwortlich, sanktionieren und boykottieren riskante Netzinhalte, ja die Nutzer schaffen es sogar, wie das jüngste Beispiel von Youtube in den USA zeigt, dass extreme Gewalt vom Netz genommen wird. Setzen wir also auch beim Streaming auf Selbstregulierung. Oder misstrauen etwa die Regulierungsbehörden selbst dem, was auch sie als Königsweg nur zu gern beschreiben? Schließlich: Wieso wird die Zahl der zu regulierenden Streaming-Angebote auf mindestens 500 Teilnehmer festgelegt? Wieso nicht 5, 5.000 oder 50.000? 500 erscheint willkürlich.

Ich denke, dass wir genügend Mechanismus haben, um im Internet Extreme verhindern zu können. Es leuchtet mir nicht ein, dass bei Streaming-Angeboten zusätzlich zu bestehenden Möglichkeiten reguliert werden muss. Bei allem Verständnis für Zuständigkeitsbedürfnisse und deren stetige Ausweitung: Die Landesmedienanstalten sind gut beraten, sich auf ihre bisher geleistete, effektive Arbeit zu konzentrieren und die auch künftig gut zu organisieren, nicht zuletzt bei der Förderung der Medienkompetenz. Diese, wenn auch manchmal als vermeintliche Lösung für alles überstrapaziert, hilft jedenfalls Eigenverantwortlichkeit im Netz weiterzuentwickeln, sowohl für Nutzer wie für Anbieter.

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