Smart Speaker und Sprachassistenten halten immer stärker Einzug in deutschen Haushalten. Was macht Alexa Echo, Google Home & Co. aus Vermarktersicht so attraktiv? Wo sehen Sie im Umkehrschluss Probleme?
Diese Devices sollen eine Zukunft in den eigenen vier Wänden erfahrbar machen, von der momentan in den Entwicklungslaboren der Tech-Giganten oder im Kino geträumt wird. Zum Beispiel in Filmen wie „Her“ oder „Blade Runner 2049“, in denen KI-basierte Softwareroboter den Hauptdarsteller als Lebenspartner begleiten. Zum menschlichen Gegenüber besteht dort optisch kaum mehr ein Unterschied – und gar keiner in der Kommunikation. Das ist die Vision, da wollen Alphabet & Co. auch hin. Also präsentieren sie den Kunden und Investoren KI-ähnliche Tools für extrem geringe Anschaffungskosten und stärken damit ihr Markenimage als Innovationstreiber.
Nur, mit KI haben Alexa etc. – noch – überhaupt nichts zu tun. Das sind einfach nur sehr geschickt konzipierte, webbasierte Interfaces, eine konsequente Weiterentwicklung von der händischen/visuellen Interaktion mit einem Computer hin zu einer überwiegend sprachlichen. Das Thema „Nutzerdaten“ steht hier, glaube ich, überhaupt nicht im Mittelpunkt für die Hersteller – wer sich wann was online bestellt, wer welche Musik wann und wo über Spotify hört oder welche Termine in seinen Kalender einträgt, erfahren die ohnehin, sobald man dafür ein Gerät mit einer IP-Adresse benutzt. Für den Anwender vereinfachen die Sprachassistenten lediglich all diese Tätigkeiten, sofern der deutlich genug spricht. Wesentlich spannender für die Hersteller ist der nächste Schritt, die Vernetzung mit dem IoT bzw. mit Verkehrsmitteln und dem Smart Home. Ein Softwareupdate von Alexa könnte uns in Zukunft rund um die Uhr begleiten und begrenzte „eigenständige“ Entscheidungen treffen. Zum Beispiel die Standheizung im E-Auto ausschalten, wenn es über Nacht doch wärmer geworden ist. Oder Termine im Büro verschieben, wenn der öffentliche Nahverkehr stockt.
Genau solche Daten sind dann nicht je Nutzer, sondern in der Masse sehr interessant für Apple & Co., weil sie völlig neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Wenn Sie zum Beispiel wissen, in welchen Stadtvierteln von Ballungszentren es genau wo und wann zu chronischen Staus kommt, können Sie leicht das „Warum“ ermitteln und entsprechende Leistungen in diesen Bereichen selbst oder über Partner anbieten: Uber und Car-Sharing-Werbung im Süden, Rabatt-Aktionen für ÖVPN im Norden, Leihräder im Zentrum – als Datenanbieter verdienen Sie immer mit.
Welche Auswirkungen haben die neuen Endgeräte auf die klassischen Radioformate? Verschmelzen die Inhalte oder erleben wir künftig einen harten Verdrängungswettbewerb mit offenem Ausgang?
Die Radiosender sollten sich hier das Motto „Wandel durch Annäherung“ zu Herzen nehmen. Es gibt ja auch schon ein paar Formate, die sehr erfolgreich eine Multi-Channel-Strategie fahren und damit mehrere Hörer-Generationen binden: etwa „Fest & Flauschig“ von Jan Böhmermann und Olli Schulz – die Inhalte sind auf Spotify Facebook und im TV präsent. Oder Radio Bremen, ebenfalls ein Musterbeispiel, wie man heute mit seinem Programm im Web und im Küchenradio vertreten sein sollte. Sprachassistenten spielen dabei aber keine große Rolle – wie gesagt ruft man damit ja nur per „Dialog“ ab, was man sonst auf dem Touchscreen angeklickt hätte.
Stichwort Verdrängungswettbewerb: bedrohlich wird es vor allem für Radiosender bzw. Programme, die auf eine Nische spezialisiert sind – für Volksmusik oder indischen Hip-Hop kann sich inzwischen jeder online mit wenigen Klicks hunderte Kanäle zusammenstellen, bei denen tagelang kein Song wiederholt wird. Dazu brauche ich keinen Programmchef mehr.
Für die Radiosender mit einem breiteren Angebot aus News, Sport, Unterhaltung und Musik hingegen bieten die Online-Entwicklungen dagegen sehr gute Chancen sich zu verändern und sogar zu wachsen. Ein Beispiel: Rock, Hip-Hop, Chart-Hits und lokale Bands sind im klassischen Radio vier Formate mit einem, vielleicht zwei zeitlich und räumlich begrenzten Sendeplätzen. Im Web sind genau die gleichen Inhalte aber vier eigene Streams bzw. Playlists, mit denen man gleichzeitig sehr viele Hörer überall auf der Welt erreicht. Das verändert wiederum die Redaktionen – entwickeln die ihr Knowhow mit den Webangeboten entsprechend weiter, müssen sie die Konkurrenz neuer Online-Radios nicht fürchten.
Radiohören bspw. über das klassische Küchenradio ist nach wie vor beliebt. Ist hier Amazons Echo nicht auf Sicht das attraktivere Angebot? Neben Radio- und Musikdiensten bieten die Boxen eine Vielzahl zusätzliche Tools, von Rezepten bis Wetter. Kurz gefragt: überlebt das klassische Küchenradio?
Ja, mit Sicherheit. Man sollte aber zwischen Hardware und Programm unterscheiden: das Küchenradio als Gerät wird irgendwann so verbreitet sein wie der Plattenspieler heute bei Retro-Fans. Skurril, aber nicht mehr in der Masse präsent. Radio als Unterhaltungsformat hingegen hat in meinen Augen sehr gute Chancen, auch in den nächsten Dekaden täglich sehr viele Menschen über das Web zu erreichen. Tools wie Amazon Echo könnten sogar dazu beitragen, dass regionale Sender wieder Hörer gewinnen. Und zwar genau aus den Generationen, die noch nie in ihrem Leben eine Radiofrequenz per Hand eingestellt haben, aber Alexa bitten, Musik aus der Heimatstadt zu spielen.
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