Der Rundfunkrat "empfiehlt" eine Sendung aus der WDR-Mediathek zu entfernen. Steht dem Gremium so ein Eingriff in die Programmhoheit zu?
Die Programmbeschwerde zahlreicher Frauenverbände und Gleichstellungsbeauftragten gegen die ARD-Talkshow "Hart aber fair" mit dem Titel "Nieder mit den Ampelmännchen - Deutschland im Gleichheitswahn?" hat der Rundfunkrat nicht angenommen. Der WDR hat die Entfernung aus der Mediathek in eigener Verantwortung getroffen. Richtig ist aber, dass auch eine entsprechende Empfehlung des Rundfunkrates falsch war. Wo will man die Grenze ziehen? Aus meiner Sicht dürfen nur Sendungen entfernt werden, wenn eine Programmbeschwerde erfolgreich war. Eine nicht besonders gelungene Sendung, so wie es viele Kritiker formuliert haben, darf kein Grund für eine Löschung sein.
Die Sendung ist nun nicht mehr in der WDR-Mediathek abzurufen, aber in voller Länge auf Youtube. Ist der Rundfunkrat schon in der neuen digitalen Welt angekommen?
Die Entfernung war ein Fehler, der inzwischen korrigiert wurde. Ich gehe fest davon aus, dass alle Beteiligten aus diesem Vorgang gelernt haben. Grundsätzlich kann man festhalten, dass Rundfunkräte ihre Aufgabe sehr engagiert wahrnehmen. Eine Teilnahme an Kongressen oder Messen ist für viele selbstverständlich, um technisch und thematisch auf Augenhöhe mit den Verantwortlichen des WDR diskutieren zu können.
Braucht man - wenn wichtige Millionenverträge wie zu "Gottschalk live" legal an ihnen vorbeigeschlossen werden - überhaupt Rundfunkräte?
Dass die Rundfunkräte vielleicht zu wenig Macht haben, sei zugestanden. Allerdings wird man auch in Zukunft von den Mitgliedern des Rundfunkrates nicht die Überwachung jedes einzelnen Abschlusses fordern dürfen. Außerdem war der Gottschalk Vertrag eine Sache der werbefinanzierten Vorabendstrecke - ein Problem an dessen Lösung der Rundfunkrat gerade arbeitet.
Oft arbeiten Rundfunkräte und Programmentscheider jahrelang eng miteinander - wie viel Unabhängigkeit ist von dem Kontrollgremium zu erwarten?
Der Vorwurf würde in dieser pauschalen Form auf jedes Kontrollgremium zutreffen. Natürlich lernt ein Rundfunkrat im Laufe seiner Amtszeit Programmverantwortliche kennen. Ich bezweifle aber, dass die Rundfunkräte dadurch ihre Aufgabenstellung und ihren gesellschaftlichen Blickwinkel vergessen. Vertreter von Kirchen und Verbänden würden einen schleichenden Rückzug aus Informationsangeboten nicht dulden, nur weil sie Mitarbeiter des WDR kennen und schätzen gelernt haben. Nach wie vor besitzen Rundfunkräte durch ihre Arbeit für die entsendenden Organisationen eine große Unabhängigkeit.
Rundfunkräte werden von Parteien und gesellschaftlichen Gruppierungen und Organisationen delegiert. Sind das die richtigen Personen um ein Unternehmen der Größe des WDR zu kontrollieren?
Die Vielzahl der unterschiedlichen Gruppen und Institutionen garantiert, dass eine unabhängige Kontrolle erfolgen kann. Aufgabe der Rundfunkräte ist es sicherzustellen, dass der WDR seinen Programmauftrag erfüllt. Es geht nicht darum, den Finanzbedarf zu ermitteln oder wie eine Controlling-Abteilung die Effektivität der Programmerstellung zu überwachen. Mit diesen Funktionen hat der Gesetzgeber andere Institutionen wie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) betraut.
Sehen Sie Alternativen, wie künftig die Arbeit des WDR besser, effizienter und unabhängiger kontrolliert werden kann?
Aus meiner Sicht gibt es keinen besseren und demokratischeren Vorschlag, als den WDR durch unabhängige Rundfunkräte kontrollieren zu lassen. Auch die privaten Rundfunkanstalten werden durch unabhängige Landesmedienanstalten und ihre Medienkommissionen kontrolliert. Allerdings ist die Aufsicht hier deutlich weiter gefasst. Einzelne Programmententscheidungen spielen für die Medienkommissionen keine Rolle. Im Vordergrund steht hier die Auswahl, Zulassung und Verlängerung von Rundfunkprogrammen. Diese Zweiteilung hat sich - trotz aller Kritik im Einzelfall - bewährt.