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Verwaltung braucht Standardleistungen von Bund und Ländern

Wie Bonn digitaler wird

Sven Hense, Leiter IT-Anwendungen im Personal- und Organisationsamt der Bundesstadt Bonn Quelle: Michael Sondermann/Stadt Bonn Sven Hense Leiter IT-Anwendungen im Personal- und Organisationsamt Bundesstadt Bonn 17.10.2016
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Die Verwaltung hat gegenüber der freien Wirtschaft mittlerweile erhebliche Defizite bei Onlineangeboten im Alltag", sagt Sven Hense, IT-Manager in der Stadtverwaltung Bonn. Die Digitalisierung kann Einsparungen bringen, aber auch viel kosten.







Nach einer aktuellen Studie ließen sich durch IT-Lösungen in der Verwaltung bei verschiedenen Prozessen bis zu 70 % der Kosten einsparen. Woran hakt es bei der Einführung eines effizienten E-Governments aus Ihrer Sicht?
Die Einführung von E-Governmentprozessen zieht rechtliche, organisatorische, technische und finanzielle Betrachtungen nach sich. Das jüngst verabschiedete E-Government-Gesetz des Landes NRW löst dabei ein Haupthindernis der letzten Jahre, denn die Verwaltung benötigt zwingend für die digitale Umsetzung rechtssichere Rahmenbedingungen. In Folge werden in den nächsten Jahren von den fachspezifischen NRW Landesgesetzen bis hin zu den Ausführungsbestimmungen Anpassungen vorgenommen und im laufenden alltäglichen Geschäftsbetrieb Einzug halten. Das ist ein starkes Signal in Richtung der IT-Anbieter für E-Governmentlösungen und Anwendungen für Fachverfahren. Insgesamt müssen sich analoge Verwaltungprozesse allerdings zu finanzierbaren Kosten digital umsetzen lassen. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf nach Standardverfahren, da einige IT-Lösungen, auch auf längere mehrjährige Sicht, nicht wirtschaftlich oder für die Verwaltung finanziell attraktiv sind. So gestalten sich insbesondere in der Startphase der finanzielle Investitions- und der personelle Projektaufwand teilweise noch sehr hoch.

In den Behörden ist ein Umdenken auf verschiedenen Ebenen erforderlich. In der Vergangenheit war die IT ein Garant für Einsparungen, welcher maßgeblich zur Haushaltskonsolidierung beigetragen hat. Die IT-Budgets sind nunmehr weitgehend auf den laufenden Betrieb der Infrastruktur und Fachanwendung und weniger auf Innovation ausgerichtet. Die Umsetzung digitaler Prozesse erfordert zusätzliche Mittel, um die Ressourcen in einer Übergangsphase neu verteilen zu können. Die dabei entstehenden Kosten lassen sich in der Regel nicht direkt mit dem ersten Produktivtag einsparen oder gegenrechnen. Neben Investitionen für E-Government sind zugleich in den Ausbau der IT-Sicherheit, IT-Qualifizierung von Beschäftigten, Arbeitsplatzausstattung und -gestaltung finanzielle Vorleistungen erforderlich, die unterstützt von der Verwaltungsspitze, Kämmerei und Politik im Haushalt verankert werden müssen.

Verwaltungsleistungen zu digitalisieren erfordert auch immer eine organisatorische Betrachtung der Prozesse mit einem sehr starken Fokus auf die Zusammenarbeit der einzelnen Fachbereiche. Hier gilt es die über Jahre gewachsene Verwaltungsstrukturen und Zuständigkeiten kritisch zu hinterfragen und im Vorfeld für die digitale Umsetzung anzupassen. Das kann auch in einer Behörde nur mit einer breiten Akzeptanz in den Fachbereichen, der Verwaltungsspitze und der Politik gemeinsam gelingen. Nachhaltig Effizienzgewinne zu erzielen heißt dabei auch, dass analoge interne und externe Abläufe nicht beliebig lange parallel betrieben werden können. Diese Zeiträume können durchaus kurz sein, denn nach unseren Erfahrungen stößt ein Onlineangebot direkt auf eine hohe Nutzerakzeptanz.

Die Verwaltung hat gegenüber der freien Wirtschaft mittlerweile erhebliche Defizite bei Onlineangeboten im Alltag. Letztlich müssen die E-Governmentangebote technisch für die Nutzerinnen und Nutzern attraktiv und einfach im Alltag bedienbar sein.

Die Studie schlägt die Entwicklung modular aufgebauter und kompatibler E-Government-Angebote vor. Wie lässt sich das bei der föderalen Struktur in Deutschland umsetzen?
Die E-Government-Diskussion in den letzten Jahren war davon geprägt, dass föderale Ebenen für sich selbst Ansätze entwickelt haben, die im Ergebnis aus verschiedenen Gründen nicht markt- und praxistauglich waren. Praktische Erfahrungen aus den täglichen Bürgerdiensten vor Ort müssen beispielsweise zwingend in die Entwicklungen einfliessen, damit eine spätere Umsetzung ohne aufwendige Folgeanpassungen und zeitliche Verzögerungen vor Ort in den Kommunen gelingen kann. Hilfreich wäre dabei sehr, wenn zunächst in einem ersten Schritt die Information und Kommunikation zu Projekten der föderalen Ebenen untereinander verbessert würde. Zugleich müssen schon Planungsprozesse transparenter werden und zeitlich deutlich verkürzt werden.

Die IT-Innovationen zur Verbesserung von Bürgerserviceleistungen waren bislang vorrangig nur durch Kommunen getrieben, die von sich aus in Investitionsvorleistungen getreten sind. Es muss der Ansatz verfolgt werden, ob nicht bei Standardleistungen im Bundes- oder Landesrecht in Form von Anwendungen für alle zentral projektiert und zunächst finanziert werden.

Der Dachverband kommunaler IT-Dienstleister (KDN) leistet mit den Bemühungen zur Entwicklung zum Servicekonto.NRW einen wesentlichen und wertvollen Beitrag, der in Folge auch wertgeschätzt werden sollte. Die Bereitschaft von Kommunen sich föderal übergreifend zu engagieren und Innovationen umzusetzen ist nach wie vor vorhanden. Diese Chancen müssen mit einer breiten Unterstützung über alle föderalen Ebenen hinweg genutzt werden.

Gefordert wird die Einmalerhebung von Daten und deren Wiederverwendung mit Zustimmung des Betroffenen. Wie lässt sich der Datenschutz sicherstellen?
Die rechtlichen und IT-sicherheitstechnischen Möglichkeiten kann ich von hier aus nicht bewerten. Ich sehe vielmehr die breite Bereitschaft in der Bevölkerung für eine Einmalerhebung eher skeptisch. Die Frage ist doch, welche Vorteile sich mit einer Einmalerhebung ergeben und wie Aktualisierungen bei Personenstandsveränderungen nachgepflegt werden. Grundsätzlich sollten sich durch ein vorgelagertes Authentverfahren alle erforderlichen Daten tagesaktuell aus den jeweiligen Fachverfahren generieren lassen. Bei der Rückkopplung im Antragsprozess wäre dadurch eine bessere Datenqualität erzielbar, die in der späteren Antragsbearbeitung im Backoffice hilfreich ist und zusätzliche Rechercheaufwände erspart.

Es gibt in Deutschland bereits ein E-Government-Gesetz. Dazu gibt es Landes- und Kommunalvorschriften. Welche Änderungen am Rechtsrahmen würden Sie sich noch wünschen?
Wünschenwert wäre die zeitnahe Anpassung von Fachgesetzen auf Landesebene und natürlich die Überarbeitung der Ausführungsbestimmungen. Dazu zählt aus meiner Sicht auch ein Normenscreening, inwieweit die einzelnen Antragsleistungen elektronisch umgesetzt werden können. Kommunen brauchen in solchen Detailfragen noch rechtliche und schnelle Unterstützung, um konkrete Umsetzungen zu beginnen.

Eine rechtliche Betrachtung jeweils selbst auf lokaler Ebene vorzunehmen bedeutet vielfache interkommunale Doppelarbeit und ist von allen Kommunen auch nicht vollumfänglich leistbar. Ideal wäre ein Leitfaden der Top 10, 25, 50 oder 100, die in NRW rechtssicher direkt umgesetzt werden können. Das wäre in Folge ein wichtiger Impuls in die Fachbereiche der Kommunen und könnte die gegenwärtigen Angebote zu E-Governmentdienstleistungen interkommunal zügig verbessern.

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