Falschmeldungen und Hassbotschaften – seit geraumer Zeit wird die Kultur in sozialen Netzwerken beklagt, teilweise wird sogar eine Gefahr für die Demokratie befürchtet. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Die Gefahr durch solche Falschmeldungen nimmt in dem Maße zu in den bisherigen Medien wie Tageszeitungen und Nachrichtensendungen immer mehr durch neuere Formate und soziale Netzwerke im Internet ersetzt werden. So entsteht zunehmend die Gefahr, dass insbesondere Falschmeldungen nicht mehr von seriösem Journalismus unterschieden werden und für eine bewusste Stimmungsmache missbraucht werden. Besonders gefährlich wird es, wenn uns feindlich gesinnte ausländische Staaten versuchen, auf diese Art und Weise unsere Gesellschaft insgesamt zu destabilisieren. Berichte über sogenannte russische Trollfabriken oder der Einsatz von Meinungsrobotern, sogenannten social boots, im US-Wahlkampf sind daher besorgniserregend.
Mehrfach hat die Politik sich mit Verantwortlichen etwa von Facebook getroffen, nun plädieren verschiedene Politiker für strengere Vorschriften. Welchen Regelungsbedarf sehen Sie?
Die Betreiber sozialer Netzwerke, in denen solche Beiträge eingestellt werden, stehen ganz klar in der Verantwortung, strafbare Beiträge so rasch wie möglich zu löschen. Dies ist ein Mindeststandard, der in jedem Fall eingehalten werden muss. Es ist erfreulich, dass sich diese Erkenntnis immer mehr durchsetzt. Insofern hat bereits ein Umdenken eingesetzt. Ab einer bestimmten Größe sollte man auch eine aktive Überprüfung durch die Unternehmen erwägen, um zumindest offensichtliche Rechtsverstöße von vornherein zu verhindern – so wie ein Buchhändler kein Buch in seine Regale stellen würde, von dem er weiß, dass es eine Anleitung zum Bau von Bomben enthält!
Die Äußerungen sind zum Teil heute schon strafbar. Was steht aus Ihrer Sicht einer Verfolgung solcher Äußerungen entgegen? Und wie sollten etwaige Hemmnisse beseitigt werden?
Zunächst einmal müssen die Strafverfolgungsbehörden in der Lage sein, die Identität der Person zu klären, die strafbare Äußerungen getätigt hat. Hierin liegt oftmals die erste Hürde, denn ohne eine Speicherung der IP-Adresse, also der Zuordnung des Beitrages zu einem bestimmten Telekommunikationsanschluss, ist eine solche nicht möglich. Hier helfen die von uns beschlossenen Mindestspeicherungsfristen leider nur bedingt weiter, da sie ein Delikt von einer bestimmten Schwere voraussetzen. Problematisch sind zudem die Fälle, in denen solche Betreiber im Ausland sitzen. Hier sollte es zwingende Voraussetzung sein, dass diejenigen Unternehmen, die ihre Angebote bei uns anbieten, eine im Inland gelegene Stelle benennen müssen, an die sich die Strafverfolgungsbehörden und einzelne Nutzer wenden können. Zudem müssen wir international noch stärker als bisher zu einem gemeinsamen Verständnis darüber kommen, was wir im Internet keinesfalls dulden wollen.
Wie lässt sich verhindern, dass Hassbotschaften an anderen Stellen im Internet publiziert werden, wenn strengere Regeln für Facebook und Co. gelten?
Die Einhaltung geltenden Rechts muss grundsätzlich von allen Betreibern geleistet werden und unabhängig, in welcher Form strafbare Inhalte veröffentlicht werden. Bisher hat sich die Diskussion auf die größten Anbieter sozialer Netzwerke konzentriert. Wir müssen aber in der Tat darauf achten, dass es kein Ausweichverhalten gibt.