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Renommierter Schlager-Professor sieht Gefahr von Einheitsbrei im Radio

Warum Vielfalt nicht nur in der digitalen Nische stattfinden darf

Schlager-Experte Prof. Dr. Martin Lücke Quelle: privat Prof. Dr. Martin Lücke Professor Hochschule Macromedia 23.03.2016
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Vielfalt darf nicht bedeuten, dass all das, was die Sender als weniger massentauglich ansehen an DAB+ Wellen abgetreten wird", sagt Schlager-Experte Prof. Dr. Martin Lücke. Er sieht die Gefahr, dass im schlimmsten Fall ganze Hörergruppen verloren werden. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen sieht er in der Pflicht.







Mehrere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten starten digitale Schlager- oder Volksmusik-Sender oder haben diese bereits in Betrieb. Gehören diese Musikfarben in die Digitalradio-Nische?
Digitalradio bietet (ebenso wie Webradio) zunächst einmal die Möglichkeit, dass sich auch sogenannte Nischensender mit einer spezialisierten Programmauswahl etablieren können und bundesweit (und darüber hinaus) empfangen werden können. Doch ob Schlager denn eine Nische ist, darüber lässt sich trefflich streiten, denn die Definition lautet: ein kommerziell erfolgreiches deutschsprachiges Stimmungs- und Unterhaltungslied, und darunter lässt sich sehr viel fassen. Zudem ist Schlager, egal ob man ihn mag oder nicht, fester Bestandteil der Kultur in Deutschland und damit eigentlich zentraler programmatischer Bestandteil der Hauptsender. Allerdings seien wir realistisch, der Ruf des Schlagers ist eher negativ konnotiert, Pop, Deutsch-Pop etc. klingt jünger, moderner – und damit auch werbe- und umsatzwirksamer. Wichtig bleibt aber, dass die Zuhörer, die Schlager hören wollen, überhaupt noch die Möglichkeit dazu haben, und für die Künstler ist es auch wichtig, Sendezeit im Rundfunk zu erhalten.

Schlager und Volksmusik wenden sich traditionell an eher ältere Hörer. Ist die digitale Verbreitung gerade für diese Zielgruppen die richtige?
Na ja, Helene Fischer richtet sich inzwischen an ein sehr junges Publikum, und das IST Schlager. Wenn wir aber mal diese und einige Künstler außer Acht lassen, dann ist die Zuhörerschaft sicherlich älter. Ob für diese aber ein „neues“ Medium, das mit Anschaffungskosten verbunden sein könnte, das richtige ist, wage ich stark zu bezweifeln. Warum soll ein z. B. 80-jähriger auf einmal ein DAB+ fähiges Endgerät kaufen, wenn bei ihm jahrzehntelang UKW perfekt funktioniert hat? Im schlimmsten Fall verliert man diese Hörergruppe vollständig. Ich hoffe nicht, dass das gewünscht wird.

Das Digitalradio DAB+ braucht nach Ansicht von Experten inhaltliche Angebotsvielfalt. Wie sehr können Schlager und Volksmusik der Verbreitungstechnologie nützen?
Vielfalt ist sicherlich wichtig, aber Vielfalt darf nicht bedeuten, dass all das, was die Sender als weniger massentauglich ansehen an DAB+ Wellen abgetreten wird, und nur noch das massenwirksame bei den Hauptsendern bleibt, dann wird der Einheitsbrei der Sender noch unkenntlicher.

Die neuen öffentlich-rechtlichen Wellen stellen eine Konkurrenz zu privaten Anbietern dar. Wie schätzen Sie die Lage auf diesem Markt ein?
Für mich ist es immer ein großes Ärgernis, dass sich öffentlich-rechtliche Sender als Konkurrenz zu privaten Sendern sehen und vor allem musikalisch das selbe anbieten, die Top 40 rauf und runter, und dazu „das beste von gestern“. Trotz Gebühren ist doch für den Endverbraucher kaum noch ein Unterschied zwischen öffentlich-rechtlich und privat auszumachen, überall dieselbe Musik (und Werbung!). Dabei hätten die öffentlich-rechtlichen Sender die Möglichkeit, kulturell hochwertige Angebote zu schaffen, ihre Hörer gezielt zu bedienen, wieder ein DJ-geführtes Programm zu erstellen, in dem Neuheiten Platz finden, Experimente gewagt werden, Nischen nicht totgeschwiegen werden. Solange das aber nicht mehr in ausreichendem Maße geschieht, besteht die Gefahr, dass sich die öffentlich-rechtlichen Programme überflüssig machen. Schade wäre es!

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